Neuer Aachener Bischof bittet um Beistand

Helmut Dieser steht an der Spitze des Bistums. Bei seiner Einführung appelliert er an den Zusammenhalt der Menschen. Der Geistliche mahnt in seiner Predigt auch, an Europa weiter zu bauen.

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Aachen. Das war dann doch überraschend: Aachens neuer Bischof Helmut Dieser beginnt mit Europa — mit dem politischen Europa, das gefährdet ist. An den Anfang seiner ersten Predigt im Aachener Dom setzt Helmut Dieser — ausdrücklich „als neuer Bischof der Europastadt Aachen“ — einen politischen Appell. Der Traum vom geeinten Europa sei trotz aller Probleme nicht geplatzt. „Es geht weiter. Die Generationen vor uns haben etwas Großartiges begonnen. An uns ist es, daran weiter zu bauen.“

Einheit und Zusammenhalt sind zentrale Maßgaben, die bei Helmut Dieser immer wieder auftauchen. Sie bestimmen diesen festlichen Samstagvormittag, an dem er im Aachener Dom sein neues Amt offiziell antritt. Die rund tausend Gäste in der Marienkirche und jene, die ihm in benachbarten Gotteshäusern per Live-Schaltung oder zu Hause am Fernsehen zuhören, fleht Dieser regelrecht an, zusammenzuhalten, sich bewusst zu machen, was jetzt nötig ist. „Weh’ einer Gesellschaft, wenn sie nicht von inneren Überzeugungen zusammengehalten wird!“ Orientierung müsse immer neu gewonnen und durchgehalten werden.

Da ist der Bischof dann bei seiner Kirche. Ungeschminkt, wie es seine Art ist, spricht er über deren Zustand: „Wer meint, die Kirche wäre fertig oder müsste es doch bitte endlich mal sein, wird bitter enttäuscht.“ Dieser weiß um die Defizite und empfiehlt Nachsicht: Wer die Kirche besserwisserisch vor sich hertreibe, „weil sie immer noch nicht weiter ist, versäumt und verweigert auch den eigenen Anteil daran, dass sie besser wird.“

Über seinen Anteil am Einsatz für Kirche und Zusammenhalt scheint sich der Oberhirte vollkommen im Klaren zu sein. Deshalb bittet er so händeringend um Beistand. Der wird ihm jedenfalls zum Amtsantritt vielfältig und herzlich zuteil. Als der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, und sein Aachener Amtsvorgänger, Bischof Heinrich Mussinghoff, ihn zum Bischofsstuhl führen, er sich setzt und seinen Hirtenstab in die Hand nimmt, ist er nun offiziell der Bischof von Aachen. Zuvor hat der Botschafter des Vatikans in Berlin, der Apostolische Nuntius, Erzbischof Nikola Eterovic, die päpstliche Ernennungsurkunde verlesen, und die Aachener können mit Genugtuung feststellen, dass ihr neuer Bischof mit zweitem Namen Karl heißt. Hinten in der Chorhalle wird man es im Karlsschrein gerne gehört haben.

Dompropst Manfred von Holtum und Weihbischof Karl Borsch, der das Bistum vorübergehend leitete, strahlen zufrieden. Warmer Applaus, der auch wiederholt Mussinghoff und dessen Verdiensten gilt, tut Dieser gut, zahlreiche Amts- und Mitbrüder umarmen ihn, Vertreter katholischer Laien beglückwünschen ihn — das schöne, berührende Bild einer Kirche, die sich ihrer Traditionen bewusst ist, sich ihrer Stärke vergewissert und doch weiß, wie hilfsbedürftig sie ist angesichts der inneren und äußeren Herausforderungen, denen sie sich stellen muss. Vielleicht weiß es niemand besser als Helmut Dieser. Also freut er sich über diese heiteren Stunden umso mehr.

Für solche Feiern verfügt die katholische Kirche über ein reichhaltiges Repertoire liturgischer, musikalischer und choreographischer Möglichkeiten. Schon der Einzug ist imposant: Bischöfe, Kardinäle, Domkapitel, eine ganze Armada von Messdienern und Uniformierte unterschiedlichster Provenienz. Alles läuft wie am Schnürchen. Wofür hat man schließlich tags zuvor fünf Stunden lang geprobt. Als besondere Überraschung erlebt die Festgemeinde sogar eine Uraufführung: Erstmals erklingt im Dom die „Aachener Bischofsfanfare“, an der das britische Musikgenie Edward Elgar („Pomp & Circumstance“) seine helle Freude gehabt hätte. Sie ist eigens für diesen Anlass von dem Kölner Trompeter Alexander Reuber komponiert worden.