Präsidentenpoker Gauck-Nachfolge: Ende nach nicht mal einer Stunde
Die Koalitionsspitzen einigen sich wieder nicht auf einen Gauck-Nachfolger - Union will sich heute festlegen
Berlin. Von wegen ein Sitzungsmarathon drinnen, und von wegen stundenlanges Ausharren der Journalisten draußen: Schon nach 50 Minuten verließ am Sonntagnachmittag SPD-Chef Sigmar Gabriel das Kanzleramt, kurze Zeit später folgten die Uniongranden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer. Damit war allen Beobachtern sofort klar: Es gab erneut keine Einigung im Präsidentenpoker. Heute soll das Spiel angeblich definitiv beendet werden. Mal wieder.
Nach dem Treffen genau vor einer Woche hatte Gabriel noch ein Interview gegeben. Die Kernaussagen: Man suche weiter nach einem gemeinsamen Kandidaten, er finde weiter Frank-Walter Steinmeier gut, mal sehen. So war der Tenor. Diesmal: Totales Schweigen. Und das nicht, weil der Genosse nichts zu sagen gehabt hätte.
Eher war wohl der Hintergrund, dass der SPD-Chef nicht allzu triumphierend sein wollte. Denn auch sieben Tage später hatte sich die Lage für seine beiden Gegenüber nicht verändert. Noch immer konnten Angela Merkel und Horst Seehofer keine Alternative zu seinem Vorschlag benennen. Und so verließ der Sozialdemokrat das Gespräch, das wegen seiner Erkältung vom Freitag um zwei Tage auf den Sonntag verschoben worden war, zügig. Es gab für ihn nichts mehr zu bereden. Er ließ die beiden Unions-Vorsitzenden mit ihrem Problem allein zurück im Kanzleramt. "Auf deren Seite ist es interessanter", hieß es danach in SPD-Kreisen auf Fragen nach dem Ergebnis. Dann doch etwas auftrumpfend.
Tatsächlich stehen Angela Merkel und Horst Seehofers nun vor der Entscheidung, entweder Steinmeier mitzutragen und ihn somit wohl oder übel zum gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition zu machen. Oder einen zu finden, der gegen ihn kandidiert. Die Variante Drei, einen anderen gemeinsamen Kandidaten von Union und SPD zu finden, ist seit dem Sonntag offenbar vom Tisch. Heute sollen die Unions-Gremien per Telefonschaltkonferenz gefragt werden.
Ganz offenbar trauten sich Merkel und Seehofer nicht, die Entscheidung allein zu treffen. Denn in der CDU, mehr noch in der CSU, gibt es viele, die von ihnen erwarten, dass sie sich in der Frage der Gauck-Nachfolge gegenüber der SPD durchsetzen. Mit einem eigenen oder einem neutralen Kandidaten. In jedem Fall dürfe die Union, die in der Bundesversammlung klar stärker ist als die SPD, nicht vor Gabriel einknicken, war im Vorfeld des Gipfeltreffens aus beiden christlichen Parteien immer wieder zu hören gewesen.
Sollten sich Merkel und Seehofer dazu entschließen, Steinmeier nicht zu unterstützen, müssten sie an diesem Montag ihren eigenen Kandidaten benennen. Namen kursierten wieder das ganze Wochenende, wen man ins Rennen schicken könnte - zum Beispiel Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie saß am Sontag neben Amtsinhaber Gauck im Plenarsaal des Bundestages, kurz bevor die Chefs im Kanzleramt zusammenkamen. Anlass war der Volkstrauertage zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Hätte sie ins Kanzleramt gemusst, sie wäre kurzfristig dazu in der Lage gewesen.
Aber auch bereit? Dann wurde in Berlin auch noch der Name von Jens Weidmann ins Spiel gebracht, derzeit Bundesbankpräsident und früher mal ein enger Berater der Kanzlerin. "Ein Banker wäre kein gutes Zeichen", hieß es freilich selbst aus dem Lager der Union. In Regierungskreisen wurde zwar betont, es bestehe nicht zwangsläufig eine Notwendigkeit, heute schon zu entscheiden. Man habe schließlich noch Zeit bis zur Bundesversammlung. Doch der Druck ist groß. Das wissen auch Merkel und Seehofer.