Münchner Sicherheitskonferenz Yücel-Freilassung: Sigmar Gabriel stiehlt Merkel und von der Leyen die Show

München. Eigentlich wollte Sigmar Gabriel (SPD) gar nicht mehr nach München fahren, dann sagte er sich plötzlich (Schulz, Rücktritt) aber doch wieder an — und stahl schließlich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Show, die die Eröffnungsrede der 54. Münchner Sicherheitskonferenz hielt, die noch bis morgen mit rund 20 Staats- und Regierungschefs sowie mehr als 70 Außen- und Verteidigungsministern im feudalen „Bayerischen Hof“ tagt.

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Zumindest in den deutschen Medien hatte der Kampf gegen die Krisen der Welt im Aufmerksamkeitswettbewerb am Freitag keine Chance: Am Vormittag bestätigte das Auswärtige Amt die Freilassung des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel. Als ein Sprecher des Amts kurz darauf erklärte, man müsse nun natürlich abwarten, was in den nächsten Minuten und Stunden passiere, wusste Sigmar Gabriel es offenbar längst genauer.

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Im Pressezentrum der „Münchner Sicherheitskonferenz“ lief plötzlich ein neuer Termin über die Bildschirme: Parallel zur Eröffnungsrede von der Leyens in der großen Konferenzhalle des „Bayerischen Hofs“ versammele Außenminister Gabriel im Atrium des Hotels um 14.10 Uhr die Kameras — ein reichlich unfreundlicher Akt gegenüber der Noch-Kabinettskollegin. Doch Gabriel setzte in Sachen Tempo und Aufmerksamkeits-Erhaschung noch einen drauf: Mitarbeiter des Konferenz-Pressebüros sammelten hektisch per Zuruf Journalisten ein und beorderten sie vor den Haupteingang des Hotels, wo Gabriel um 12.30 Uhr im Münchner Dauerregen eintraf und neben der Freilassung Yücels aus türkischer Haft verkündete, er rechne fest damit, dass der deutsch-türkische Journalist das Land bald verlassen dürfe.

Gabriel lobte seine türkischen Gesprächspartner und sprach von Vertrauen. Zwar reklamierte Gabriel die Freilassung Yücels in München nicht ausdrücklich für sich, doch setzt er zweifellos auf die Macht der Bilder — und den Affront, den die Nachricht für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedeutet. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte am Vortag gegenüber Merkel nichts über die bevorstehende Freilassung Yücels durchblicken lassen. Gabriel kämpft parteiintern darum, sein Amt als Bundesaußenminister behalten zu dürfen. In der SPD gibt es Stimmen, die trotz des Verzichts von Martin Schulz dafür plädieren, Sigmar Gabriel abzulösen.

Schon zum Frühstück hatte Gabriel mit einem Gastbeitrag in der FAZ vorgelegt, in dem er — was der Geschäftsbereich von der Leyens wäre — die Europäer zu einem selbstbewussteren Umgang mit ihrer militärischen Macht aufforderte. „In einer Welt voller Fleischfresser“ hätten es Vegetarier schwer“, so Gabriel. Militäreinsätze dürften für Europa zumindest kein grundsätzliches Tabu sein. Europa müsse „ein Flexitarier werden, der Fleischkonsum gelegentlich zulasse „und militärische Macht nicht scheuen darf, aber dem Zivilen den Vorrang gibt“, so Gabriel. Er warnte zugleich davor, es zu ignorieren, dass etliche Regierungen in vielen Weltregionen mittlerweile einer „militärischen Konfliktlogik“ folgten.

Im Vergleich dazu blieb Ursula von der Leyen von inhaltlich vornehmer Blässe. Die Verteidigungsministerin erinnerte an ihren ersten Auftritt bei der Sicherheitskonferenz vor vier Jahren und zählte auf, wo überall Deutschland seitdem seine Zusage erfüllt habe, mehr internationale Verantwortung „zusammen mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern“ zu übernehmen. Deutschland habe auch verstanden, dass man dazu Militär einsetzen müsse. Damit standen von der Leyen und Gabriel zwar nicht im Widerspruch, aber doch im Kontrast zu Konferenz-Chef Wolfgang Ischinger, der an die rund 500 Gäste ganz persönlich appellierte: „Wir haben zu viele Krisen, Unsicherheiten und ungelöste Konflikte. Wenn Sie nicht ganz persönlich einen Beitrag zu Sicherheit und Frieden leisten, wird es nicht funktionieren. Wir müssen konkrete Schritte zurück vom Rand machen, und nur Sie können das möglich machen.“

Den ersten Eklat erlebte die Konferenz bereits am Donnerstagmorgen, als es einem halben Dutzend kurdischer Aktivisten gelang, in den „Bayerischen Hof“ einzudringen und im Foyer Transparente gegen die türkische Militäroffensive in Syrien zu entrollen. Dabei sollen auch Symbole der als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gezeigt worden sein sollen. Bei einer für den morgigen Mittag auf dem Marienplatz angekündigten Demonstration rechnet die Münchner Polizei ebenfalls mit starker kurdischer Präsenz.