Neuer Sieg für Gustl Mollath
Karlsruhe bescheinigt dem 56-Jährigen, dass sein Grundrecht auf Freiheit verletzt wurde. Eine Ohrfeige für Bayerns Justiz.
Karlsruhe. Ohrfeige und Watsch’n sind keine juristischen Kategorien. Doch die kürzlich beendete siebenjährige Zwangsunterbringung des Nürnbergers Gustl Mollath in der Psychiatrie hat nun nachträglich dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht der bayrischen Rechtsprechung in diesem Fall ein ebenso schlechtes wie demütigendes Zeugnis ausgesprochen hat. Die Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahr 2011 verletzten den Beschwerdeführer — Mollath — „in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Urteil.
Demnach saß der 56-jährige Nürnberger in den vergangenen zwei Jahren verfassungswidrig in der Psychiatrie. Die Karlsruher Richter werfen ihren Kollegen in Bayern vor, ihre Entscheidungen nicht gut genug begründet, sondern sich mit knappen, allgemeinen Aussagen begnügt zu haben.
Mollath war 2006 auf gerichtliche Anordnung in die Psychiatrie eingewiesen worden, weil er seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben soll. Er selbst sah sich stets als Opfer eines Komplotts seiner Ex-Frau und der Justiz, weil er auf Schwarzgeldgeschäfte bei der HypoVereinsbank hingewiesen habe. Anfang August wurde er zwar entlassen, dennoch hielt das Verfassungsgericht die nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen für wichtig — „denn diese waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in sein Grundrecht auf Freiheit der Person“. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte angeordnet, dass das Verfahren neu aufgerollt werden muss und Mollath frei kommt.
Mollaths Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahr 2011, nach denen er weiter in der Psychiatrie bleiben musste.
Für Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) ist der Fall Mollath zum nicht enden wollenden politischen Alptraum geworden. Sie vertraute lange auf ihre Fachleute in Ministerium und Justizapparat. Die versicherten ihr immer wieder, es sei doch alles richtig gelaufen. Mollath sei eingewiesen worden, „weil er krank und für die Allgemeinheit gefährlich war“, betonte Merk noch im November 2012.
Inzwischen hat sich gezeigt, dass in diesem Fall von den Anfängen vor zehn Jahren bis heute eigentlich fast gar nichts richtig lief. „Eine Schande für die Ministerin“, nennt Bayerns Grünen-Fraktionschef Martin Runge den Karlsruher Beschluss.
Die Justizministerin versuchte am Donnerstag, dem Karlsruher Beschluss eine positive Note abzugewinnen: „Richter kontrollieren Richter. Auch in diesem Zusammenhang hat man gesehen, dass diese Kontrolle der Gerichte funktioniert.“