NSU-Ausschuss bekam Adressliste des Terrortrios nicht

Berlin (dpa) - Irritiert und verärgert reagieren die Abgeordneten im NSU-Ausschuss auf eine neuerliche Informationspanne: Eine Liste mit Adressen und Kontakten des NSU-Terrortrios ist dem Ausschuss vorenthalten worden.

Aus dem Untersuchungsausschuss zum Neonazi-Terrortrio werden deshalb schwere Vorwürfe gegen das Bundeskriminalamt und den Generalbundesanwalt erhoben. Der Grünen-Obmann im Ausschuss, Wolfgang Wieland, sprach am Donnerstag in Berlin von einem „Kommunikationsdesaster“. Es geht dabei um eine Liste mit Adressen und Kontakten der NSU-Terrorzelle, die dem Ausschuss nicht zugeleitet worden war. Die Liste stammt, ebenso wie ein bereits bekanntes Dokument, aus einer von dem Trio genutzten Garage in Jena und wurde dort im Januar 1998 entdeckt.

SPD-Ausschussmitglied Eva Högl sagte, sie sei „einigermaßen schockiert“, dass das BKA diese „zweite Garagenliste“ nicht an den Ausschuss weitergeleitet habe. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) müsse sicherstellen, dass die Arbeit des Ausschusses durch seine Behörden nicht weiter behindert werde, sagte Högl. Auch der Generalbundesanwalt hätte längst darüber informieren müssen, sagte Wieland. Die Adressen hätten die Ermittler damals rechtzeitig auf die Spur des Trios bringen können, wurden allerdings den mit dem Fall befassten Zielfahndern nicht zur Verfügung gestellt.

Die zweite Liste lag dem BKA und dem Generalbundesanwalt seit einem Jahr vor, wurde dem Ausschuss aber erst unmittelbar vor der Donnerstags-Sitzung vom Innenministerium zugeleitet. Die mutmaßlichen Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) - Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe - waren Anfang 1998 untergetaucht. Das umfangreiche Adressenverzeichnis hätte die Ermittler nach Chemnitz führen können, wo sich das Trio zeitweise aufhielt. Die drei Neonazis, von denen nur noch Zschäpe lebt, sollen zwischen 2000 und 2007 zehn Morde begangen haben. Erst im November 2011 flog die Bande auf.

Der Ausschuss vernahm am Donnerstag zwei V-Leute-Führer des Thüringer Verfassungsschutzes, ohne wesentliche neue Erkenntnisse gewinnen zu können. Norbert Wießner und Reiner Bode hatten den Rechtsextremisten Tino Brandt geführt, der eine zentrale Rolle in der Neonazi-Szene spielte. „Es ist überraschend, wie wenig die V-Leute von der rechten Szene wussten“, sagte Unions-Obmann Clemens Binninger.

Brandt soll bis zu 100 000 Euro vom Verfassungsschutz erhalten haben, nach eigenen Angaben hat er damit die rechte Szene unterstützt. Nach Ansicht der Ausschussmitglieder konnte der Verdacht nicht ausgeräumt werden, dass die V-Leute regelmäßig die Neonazi-Szene vor Polizeieinsätzen warnten. Welchen Kontakt Brandt zu dem Neonazi-Trio hatte, ist bisher unklar.

Sieben Wochen vor Beginn des NSU-Prozesses in München gegen Zschäpe und andere sehen SPD und Grüne große Mängel in der organisatorischen Vorbereitung. Der Schwurgerichtssaal des Oberlandesgerichts sei mit 100 Plätzen für Zuschauer und Journalisten zu klein, sagten der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz und der rechtspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, der „Berliner Zeitung“.