NSU-Prozess: Ein Richter im Kreuzfeuer der Kritik
Manfred Götzl leitet das Verfahren, das am Montag beginnt. Wegen der Vergabe der Presseplätze steht er bereits vorab unter Druck.
München. Er ist 59 Jahre alt. Geboren in Franken. Jazzliebhaber. Und der Richter im Münchner NSU-Prozess. Im Laufe seiner makellosen Juristen-Karriere hat Manfred Götzl Mörder verurteilt, Islamisten und NS-Verbrecher. So gut wie alle Urteile hielten einer Prüfung stand. Vor dem Prozess um die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) aber musste er sich erst eine höchstrichterliche Korrektur gefallen lassen. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Vorsitzenden auf, die Vergabe der Presseplätze im Gerichtssaal nachträglich zu überarbeiten.
Statt um die Morde und menschenverachtenden Taten des NSU dreht sich die öffentliche Debatte seit Wochen nur um die Modalitäten der Platzvergabe. Und mit dem umstrittenen Verfahren steht auch Götzl im Kreuzfeuer der Kritik, bevor die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer überhaupt auf der Anklagebank Platz genommen haben. Es fehle ihm an Gespür für die Dimension des Prozesses und an Sensibilität gegenüber den Opfern, hieß es, als im ersten Akkreditierungsverfahren türkische Medien außen vor blieben — acht Mordopfer waren türkischer Herkunft.
Auch nach der Neuvergabe per Los kehrt keine Ruhe ein. Diesmal gingen große deutsche Zeitungen leer aus. Wieder gab es Pannen, wieder muss sich Karlsruhe mit einer Klage beschäftigen (siehe Kasten).
Götzl übernahm 2010 den Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht München. Zuvor hatte er sieben Jahre die Schwurgerichtskammer am Landgericht geleitet. Er kann aufbrausend reagieren und ist für seine bürokratische Ader bekannt. Einem Angeklagten gab er Batterien fürs Hörgerät, damit der dem Prozess folgen konnte. Aber tagtäglich am Ende der Verhandlung musste der Mann die Batterien wieder hergeben.
Götzl hat Erfahrung mit spektakulären Fällen. Den Mörder des Modezaren Rudolph Moshammer verurteilte er zu lebenslanger Haft und stellte die besondere Schwere der Schuld fest, nachdem zeitweise ein Schuldspruch „nur“ wegen Totschlags möglich schien. 2009 sorgte er mit seinem Lebenslang für den damals 90-jährigen Ex-Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber wegen eines Massakers 1944 in Italien für Aufsehen. Die Verteidigung hatte Freispruch verlangt.
Obwohl Götzls Urteile oft hart ausfielen, kassierte der Bundesgerichtshof nur ein einziges — er scheint der Richtige für das Verfahren gegen Beate Zschäpe. Die Bundesanwaltschaft hat alle Register gezogen und die 38-Jährige der Mittäterschaft angeklagt. Götzls Senat ließ die Anklage in vollem Umfang zu.
Leicht macht es Götzl weder sich noch Anderen. Anstatt den türkischen Medien einfach drei Plätze im Publikum zu geben, wie Karlsruhe aufgezeigt hatte, verschob er den ganzen Prozess. Opferangehörige mussten Flugtickets stornieren — und sich noch einmal neu auf das Zusammentreffen mit den mutmaßlichen Tätern einstellen.