Jamaika-Koalition Özdemir sieht Jamaika-Koalition mit FDP "wie gemeinsames Stadion von BVB und Schalke"
Die Grünen haben sich am Wochenende auf einem kleinen Parteitag in Berlin nahezu einstimmig für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit Union und FDP ausgesprochen. Trotzdem waren viele Vorbehalte gegenüber einem „Jamaika-Bündnis“ zu spüren.
Wenn es knifflig wird, flüchten sich Politiker gern in die Sprache des Sports. Auch Cem Özdemir. Ein Jamaika-Bündnis auf die Beine zu stellen, das sei etwa so, „als ob Dortmund und Schalke ein gemeinsames Stadion bauen würden“, brachte der Grünen-Chef die rund 100 Delegierten des kleinen Parteitags zum Schmunzeln. Aber viel leichter werde es auch nicht werden, was man da vorhabe, ergänzte Özdemir.
Formal gesehen waren die grünen Abgesandten nur wegen eines einzigen Beschlusspapiers zusammengekommen, das - für grüne Verhältnisse ebenfalls ungewöhnlich - auch nur zwei Seiten Text umfasste: „Eine Einladung der CDU und CSU zu gemeinsamen Sondierungsgesprächen mit der FDP nehmen wir an“, hieß es darin. Aber auch, dass man bei „nicht konstruktiv“ verlaufenden Unterredungen den Gang in die Opposition antrete und überhaupt die „Hürden“ für eine Zusammenarbeit „hoch“ seien.
Noch vor vier Jahren waren die Hürden unüberwindbar gewesen. Damals hätte es rechnerisch sogar noch für eine schwarz-grüne Bundesregierung gereicht. Zwar kam es zu bilateralen Gesprächen. Aber die linken Flügelkämpfer, allen voran Jürgen Trittin, stellten sich am Ende quer. Inzwischen sind ihnen die rot-grünen Felle endgültig davon geschwommen. Und eine Option auf weitere vier Jahre Opposition klingt auch für linke Grünen-Gemüter kaum noch verlockend. Das machte auch ihr aktuell prominentester Vorturner, Fraktionschef Toni Hofreiter, deutlich: „Ja, selbstverständlich wollen wir regieren“, sagte Hofreiter vor den Delegierten. Auf die Liberalen könne man sich jedenfalls nicht verlassen, dass sie den Rechtsstaat und die Bürgerrechte voranbrächten. Die Grünen hätten eine „große Verantwortung“, die Regierung zu gestalten, meinte Hofreiter. Klar sei aber auch, dass „wir unsere Ideen nicht verkaufen“.
Genau daran hegten manche Delegierte Zweifel. Ihm fehle die Phantasie, mit einer CSU zu koalieren, „die die AfD noch rechts überholen will“, brachte es der brandenburgische Grüne Thomas Dyhr auf den Punkt. Immerhin hatte CSU-Chef Horst Seehofer gleich nach der Wahl gemahnt, die Union müsse ihre „rechte Flanke“ schließen. Eine Forderung, der sich am Wochenende praktisch auch die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) anschlossen. Wohl auch deshalb rief die Co-Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, ihre Partei dazu auf, fest zum Asylrecht zu stehen. Weiteren Verschärfungen werde man nicht zustimmen. Ein anderer Delegierter fürchtete indes, dass seine Partei nur eine kleine „Öko-Oase“ in der „Wüste“ eines Jamaika-Bündnisses wäre.
Der Beifall für die großen Bedenkenträger fiel allerdings recht spärlich aus, was auch daran gelegen haben mochte, dass sämtliche Redner vom Realo-Flügel fernab jeder Euphorie für ein schwarz-gelb-grünes Experiment warben. So meinte etwa Baden-Württembergs grüner Regierungschef Winfried Kretschmann: „Auf die Idee Jamaika wäre wohl freiwillig niemand gekommen“. Aber klar sei, dass man jetzt eine verlässliche Regierung brauche. Und der Vorsitzende Özdemir schwor, dass keiner der Beteiligten „Separatgespräche“ führen werde und man vielmehr die „gesamte Partei mitnehmen“ wolle. Der Sondierungs-Delegation sollen dann auch 14 Parteivertreter angehören, die sämtliche Strömungen bei den Grünen repräsentieren.
Am Ende wurde der Sondierungsbeschluss mit überwältigender Mehrheit angenommen. Es gab nur drei Enthaltungen. Sollten die Gespräche erfolgreich verlaufen, muss laut Beschluss ein außerordentlicher Bundesparteitag grünes Licht für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geben - eine weitere Hürde für einen „Stadion-Neubau“.