Offener CSU-Konflikt - Seehofer um Schadensbegrenzung bemüht
München/Kreuth (dpa) - Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist mit ihrem Vorstoß zur Entlastung der Verbraucher von den hohen Energiewende-Kosten an Ministerpräsident Horst Seehofer gescheitert.
Der CSU-Chef versuchte aber am Dienstagabend im oberbayerischen Wildbad Kreuth, den Streit als normalen politischen Prozess herunterzuspielen: „Jeder Minister hat das Recht, dass seine Vorschläge mit pro und kontra diskutieren werden. Das haben wir in einem sehr guten Klima getan.“ Auf die Frage, ob Aigner noch seine Kronprinzessin sei, sagte Seehofer: „Ja, selbstverständlich.“
Aigner hatte am Nachmittag nach einer Kabinettssitzung in München gesagt, ihr Vorschlag, die steigenden Kosten der Energiewende über einen Fonds zu finanzieren, werde „derzeit nicht weiterverfolgt“. Seehofer hatte schon vor Tagen im „Straubinger Tagblatt“ erklärt, dass die CSU den künftigen Generationen nicht die Energiekosten von heute aufbürden wolle. Die CSU will keine neuen Schulden machen.
Die Auseinandersetzung brachte auch den Ablauf der traditionellen Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Kreuth durcheinander. Seehofer sagte einen für Dienstagnachmittag geplanten Auftritt in Kreuth kurzfristig ab, um die Kabinettssitzung in München bis zum Ende verfolgen zu können. In Kreuth sagte der Parteichef auch mit Blick auf Debatten der schwarz-roten Koalition im Bund: „Lassen Sie uns da doch ein bisschen mehr Normalität über den politischen Diskussionsprozess einkehren.“ Es sei völlig normal, dass Politiker um große gesellschaftliche Reformen ringen müssten.
Das bekräftigte auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Zum Auftakt der dreitägigen Klausur der 56 Bundestagsabgeordneten bezeichnete sie die CSU als Impulsgeber für Union und SPD.
Aigner hatte in der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag) Seehofers Kritik an ihren Plänen zurückgewiesen, die steigenden Kosten der Energiewende auf Pump zu finanzieren. Nach der Kabinettssitzung sagte Aigner, Vorrang hätten nun vielmehr die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und die Sicherstellung der Grundlastfähigkeit der Kraftwerke. Seehofer sagte: „Das war ein ganz vernünftiger Dialog (...). Ich erzähle niemandem ein Märchen.“
Hasselfeldt beharrte unterdessen auf der viel kritisierten Warnung der CSU an ausländische Arbeitnehmer vor Missbrauch deutscher Sozialsysteme. Den Vorwurf, mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ die Politik von Rechtspopulisten zu betreiben, wies sie scharf zurück. „Ich habe überhaupt keine Veranlassung, mir einen solchen Hut aufzusetzen“, sagte sie in Kreuth. Die CSU reagiere nur auf Hilferufe aus Städten und Kommunen, darunter auch aus der SPD.
Das umstrittene Papier, das den Slogan enthält, wurde in Kreuth förmlich beschlossen. Der Entwurf sei ohne Änderungen einstimmig angenommen worden, teilte Hasselfeldt mit. In dem Papier heißt es unter anderem: „Keine Armutsmigration in die Kommunen begünstigen: Wir stehen zur Freizügigkeit in der EU. Eine Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme lehnen wir jedoch ab.“ Bei nachweislichem Sozialleistungsbetrug müssten die Verursacher nicht nur ausgewiesen, sondern ihnen auch die Wiedereinreise verwehrt werden.
Der neue Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warf Bulgarien und Rumänien unterdessen vor, bei der wirtschaftlichen Entwicklung im eigenen Land versagt zu haben. „Die EU hilft über ihre Sozial-, Regional- und Strukturfonds diesen Ländern, im eigenen Land Perspektiven und neue Arbeitsplätze zu schaffen, damit es nicht zur Binnenwanderung in Sozialsysteme kommt. Nach meiner Kenntnis haben die Regierungen von Bulgarien und Rumänien an dieser Stelle relativ klar versagt“, sagte Müller der „Schwäbischen Zeitung“ (Mittwoch). Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Regierungen in Bulgarien und Rumänien im eigenen Land zur Problemlösung nicht tätig werden.