Opferbeauftragte John wirft Polizei einseitige Ermittlungen vor
Berlin (dpa) - Die Ombudsfrau für die Neonazi-Opfer, Barbara John, hat der Polizei einseitige Ermittlungsarbeit vorgeworfen.
Die Beamten hätten sich damals sehr schnell dafür entschieden, die Untersuchungen in die Richtung Ausländerkriminalität zu führen, sagte John am Donnerstag vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Daraufhin habe sich das soziale Umfeld der Opfer-Familien abgewandt nach dem Motto, es werde schon etwas dran sein an den Verdächtigungen.
An den Folgen der damaligen, falschen Verdächtigungen litten die Familien bis heute, sagte die frühere Berliner Ausländerbeauftragte. Sie forderte weitere, unbürokratische Hilfen für die Angehörigen der Getöteten. Den Neonazi-Terroristen der Zwickauer Zelle werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen. Dass die Morde auf das Konto von Rechtsterroristen gehen, war aber erst im November bekanntgeworden.
Einige Kinder der Mordopfer hätten heute Probleme, ihr Studium zu finanzieren, weil sie nach einer Unterbrechung kein Bafög mehr bekämen, sagte John. In anderen Fällen bestehe die Gefahr, dass die vom Bund gezahlten Entschädigungssummen mit staatlichen Sozialleistungen, die die Familien beziehen, verrechnet würden. Bundestagspolitiker versprachen, hier Abhilfe zu schaffen. John kümmert sich nach eigenen Angaben um etwa 70 Opfer und Angehörige.
Die Angehörigen wünschten sich einen Gedenkort, an dem sie trauern könnten und der an die Verbrechen erinnere, sagte John. „Sie möchten natürlich auch in einer Gesellschaft leben, die offen ist, die diskriminierungsfrei ist, die Rassismus nicht kennt.“ Einige hätten auch Ängste geäußert, weil sie selbst Fremdenfeindlichkeit zu spüren bekommen hätten. Auch das Wissen darum, dass tatsächlich Rechtsextremisten die Täter gewesen seien, sei für sie schwer zu ertragen. Es belaste sie, dass Neonazis aus reiner Mordlust Menschen hingerichtet hätten, nur weil diese aus einem anderen Land stammten.
Die Bundestagsabgeordneten versprachen, die Wünsche der Opfer und die Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden zu prüfen. Der Untersuchungsausschuss und eine Bund-Länder-Kommission sollen klären, warum die Sicherheitsbehörden die Neonazis jahrelang nicht im Visier hatten. Ausschuss und Kommission vereinbarten am Donnerstag, miteinander zu kooperieren. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) forderte die Länder auf, der Kommission die zugesagte Unterstützung zu gewähren. Vier Wochen nach dem Start habe die Bund-Länder-Kommission noch keine einzige Akte bekommen.
Die Kommission, die dem Bundesinnenministerium angegliedert ist, wird sich bei ihren Untersuchungen zunächst auf Sachsen und Thüringen konzentrieren. Der Bundestags-Untersuchungsausschuss will nach Ostern mit der Betrachtung der Mordserie zwischen 2000 und 2007 richtig in die Beweisaufnahme einsteigen und dazu Beamte der bayerischen Sonderkommission Bosporus befragen. Bis Mitte 2013 will der Ausschuss seine Arbeit abschließen. Auch die Landtage in Sachsen und Thüringen haben Untersuchungsausschüsse eingesetzt.