Opposition für Aufnahme tunesischer Flüchtlinge
Berlin (dpa) - Angesichts des Flüchtlingsstroms aus Tunesien ist eine Debatte über die Verteilung von Asylbewerbern in der EU entbrannt. Politiker von SPD, Grünen und Linke plädierten am Dienstag dafür, afrikanische Flüchtlinge auch in Deutschland aufzunehmen.
Der Staatssekretär im Innenministerium, Ole Schröder (CDU), sprach sich am Dienstag in Berlin dagegen aus, Flüchtlinge, die in südlichen EU-Ländern ankommen, auf andere Mitgliedsstaaten zu verteilen.
Schröder sagte, man könne nicht davon sprechen, dass nur die südlichen EU-Länder besonders stark von Flüchtlingsströmen betroffen seien. Im Jahr 2010 habe Belgien dreimal mehr Asylbewerber aufgenommen als Italien und zehnmal mehr als Spanien. Schweden habe mit rund 30 000 Asylbewerbern fünfmal so viele Menschen aufgenommen wie Italien. Deutschland gab rund 41 000 Asylbewerbern eine Chance.
Tausende Tunesier sind in den vergangenen Tagen auf die kleine italienische Insel Lampedusa geflüchtet. Die Flüchtlingslager sind so überfüllt, dass der humanitäre Notstand ausgerufen wurde. Die Weiterleitung der Flüchtlinge in andere EU-Staaten ist derzeit nicht möglich: Asylbewerber müssen bis zur Prüfung ihrer Anträge in dem Land bleiben, in dem sie europäischen Boden betreten haben.
Die Zahl tunesischer Asylbewerber ist in Deutschland bislang sehr gering. Im Januar stellten bei den deutschen Behörden lediglich 14 tunesische Flüchtlinge einen Antrag auf Aysl, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg mitteilte. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 94 Anträge (Januar 2010: 11 Erstanträge; Gesamtjahr 2009: 116). Der größte Teil der Asylbewerber aus dem nordafrikanischen Land wurde in den vergangenen Jahren abgelehnt.
SPD-Innenexperte Sebastian Edathy wies in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ darauf hin, dass die Asylbewerberzahlen insgesamt dramatisch gesunken seien und die Aufnahme eines bestimmten Kontingents in Deutschland verkraftbar sei. Grünen-Chef Cem Özdemir mahnte in der „Rheinischen Post“: „Der Norden darf den Süden (...) nicht alleine lassen.“ Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström und die EU-Innenminister müssten sich umgehend zusammensetzen und zu einer „fairen Lastenverteilung“ kommen.
Edathy appellierte an die Bundesregierung, beim Treffen der EU-Innenminister in der nächsten Woche konkrete Hilfszusagen zu machen: „Wir brauchen dringend eine europäische Quotenregelung, die anerkannte Flüchtlinge am Maßstab der Bevölkerungszahl und der bisherigen Flüchtlingsaufnahme auf die 27 EU-Länder verteilt.“ Auch der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz plädierte dafür, notfalls auch Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, um Italien zu helfen: „Wir haben Europa nicht gebaut aus egoistischen Gründen.“
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) lehnt eine Aufnahme tunesischer Flüchtlinge in Deutschland ab. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Flüchtlinge in ihren Heimatländern Perspektiven bekommen und den Demokratisierungsprozess nachhaltig stützen“, sagte Schünemann der dpa in Hannover. Ähnlich äußerte sich der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl. Sein Rat: „Demokratie, Wirtschaft und Tourismus in Tunesien fördern.“ Gerade jetzt nach der Revolution gebe es keinen Grund für Tunesier, ihr Land zu verlassen.
Die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Monika Lüke, verlangte, Deutschland müsse seine Blockade einer solidarischen Regelung innerhalb der EU aufgeben. Zudem müsse die Bundesregierung darauf hinwirken, dass Italien seine Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention einhalte. Das bedeute, dass Italien den Asylsuchenden Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewähre. Die Linke-Politikerin Ulla Jelpke sagte, Nordafrikas Freiheit dürfe nicht an der Festung Europa enden.
Uhl forderte hingegen einen besseren Schutz der EU-Grenzen. Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex müsse mit einer effektiven Küstenwache, größeren Zuständigkeiten und mehr Personal ausgestattet werden. Nötig sei konsequentes Vorgehen gegen EU-Staaten, die Flüchtlinge massenweise weiterreisen ließen, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.