Opposition lästert über „Ladenhüter“ Betreuungsgeld
Berlin (dpa) - Der 1. August bringt zwei einschneidende Veränderungen in der Familienpolitik: Neben dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ein- und zweijährige Kinder geht auch das hochumstrittene Betreuungsgeld an den Start.
Befeuert durch die bislang eher geringe Nachfrage spricht die Opposition dabei von einem „Ladenhüter“ und dem „falschen Weg“ in der Familienpolitik. Die Union verteidigte hingegen die Leistung für Eltern, die für ihre Kleinkinder keinen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen.
Für diese Eltern gibt es ab Donnerstag ein monatliches Betreuungsgeld von zunächst 100 Euro, später von 150 Euro. Das Betreuungsgeld kann für Kinder beantragt werden, die ab dem 1. August 2012 geboren sind - es gilt also zunächst für einjährige Kinder. Gleichzeitig tritt der Rechtsanspruch auf die Betreuung von Kleinkindern in Kitas und anderen Einrichtungen in Kraft.
Schröder wies am Montag beim Besuch einer Kita in Schwäbisch Hall darauf hin, dass Eltern von ihrem Klagerecht Gebrauch machen sollten, wenn sie keinen Kita-Platz bekommen. Wenn es knirsche, könne sie den Eltern nur raten, gegebenenfalls davon Gebrauch zu machen. Diese sei ein scharfes Schwert. „Der Rechtsanspruch macht ordentlich Druck auf die Kommunen“, betonte Schröder. Die Kritik am Betreuungsgeld wies sie zurück.
Die Bundesagentur für Arbeit erklärte, trotz des Rechtsanspruchs drohe vorerst kein Personalengpass in Krippen und Kindertagesstätten. Eine aktuelle Analyse des Arbeitsmarktes zeige, dass es genügend Kräfte gebe, um freie Stellen in Kinderbetreuungseinrichtungen vergleichsweise rasch besetzen zu können.
Wenig Resonanz gibt es bislang beim Betreuungsgeld: Nach einer dpa-Umfrage in einigen großen Städten liegen erst wenige Anträge vor. 40 Interessenten gibt es demnach bisher in Bremen, 15 Antragsteller in Düsseldorf. In Mainz habe noch niemand die neue Zulage eingefordert, in Potsdam lägen erst zwei Anträge vor. Selbst im CSU-regierten Bayern haben Eltern insgesamt bisher erst rund 500 Anträge eingereicht, wie ein Sprecher der auszahlenden Behörde sagte. Die meisten Städte gehen aber davon aus, dass die Nachfrage noch steigt.
Das Bundesfamilienministerium wollte seinerseits keine Prognose zum Interesse abgeben. Für die Einführung zum 1. August seien alle Vorbereitungen getroffen und alle Informationen bereitgestellt, sagte ein Sprecher. Im Gesetz sein eine spätere Bewertung vorgesehen.
Die SPD bemängelte, dass die Leistung bei der Mehrheit der Eltern nicht ankomme. Diese wünschten sich viel eher einen wohnortnahen Krippenplatz, sagte die stellvertretende Vorsitzende Manuela Schwesig. Als Beispiel nannte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern die Zahl von bislang 44 eingegangenen Anträgen in ihrem Bundesland. Schwesig kündigte einen bundesweiten Aktionstag unter dem Motto „Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld“ für den 3. August an.
Die Grünen kritisierten, das von der CSU in der Koalition durchgesetzte Instrument gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei. Statt einer Prämie für die Erziehung daheim bräuchten Familien eine gute Infrastruktur, ausreichend Kitaplätze sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der „Frankfurter Rundschau“. Sie nannte den Anspruch einen „Ladenhüter“.
Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer hingegen vermutet, dass einige Länder das Projekt aus politischen Gründen torpedieren. „Ich finde, es ist ein Skandal, dass manche Bundesländer aus Feindseligkeit gegen diese Familienleistung junge Eltern um das Betreuungsgeld bringen“, betonte die CSU-Ministerin. Im übrigen hätten die Antragszahlen von August keinerlei Bedeutung, weil die meisten Familien erst ab Oktober leistungsberechtigt seien. Sie hob die Wahlfreiheit hervor, die das Betreuungsgeld den Familien biete.