Orban lehnt Rücknahme von Asylbewerbern ab

Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erwartet keine schnelle Einigung mit Österreich über ein Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge. Seehofer sagte am Donnerstag vor Gesprächen in Wien, es werde bei dem Treffen keine abschließende Vereinbarung geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Victor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, beantworten im Bundeskanzleramt während einer Pressekonferenz Fragen von Journalisten. Zuvor hatte die Regierungschefin den Gast aus Ungarn in ihrem Amtssitz empfangen.

Foto: Kay Nietfeld

Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ warnte Deutschland vor der Zurückweisung von Flüchtlingen in sein Land. Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist nicht zu einer Rücknahme von Asylbewerbern bereit.

Sein Besuch in Wien diene "der Information unserer Partner und der Sondierung", sagte Seehofer in Berlin vor dem Treffen mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Donnerstag. Es werde noch "keine Abschlüsse geben."

Rücknahmeabkommen mit anderen EU-Staaten, besonders mit Österreich und Italien, sind eine wichtige Voraussetzung für die Einrichtung der umstrittenen Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze, auf die sich CDU und CSU am Montag nach langem Ringen verständigt hatten. Aus diesen Zentren sollen bereits in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber nach kurzem Aufenthalt abgeschoben werden. Seehofers Plan sieht darüber hinaus vor, dass registrierte Flüchtlinge, die aus Ländern kommen, mit denen Deutschland keine Vereinbarung zur Rückführung getroffen hat, erst gar nicht in die Transitzentren gelassen werden. Sie sollen direkt an der Grenze zurückgewiesen werden - also nach Österreich, mit dem aber dazu auch eine Vereinbarung erforderlich wäre.

Österreich hatte mit großer Skepsis auf den Kompromiss der Unionsparteien reagiert und zieht nun seinerseits Kontrollen an den Grenzen nach Italien und Slowenien in Erwägung. Davon könnte auch der Brennerpass betroffen sein, der Österreich mit Italien verbindet.

Strache sagte der "Bild"-Zeitung, die österreichische Regierung werde "ganz sicher keine Lösung akzeptieren, die zulasten Österreichs geht". Ähnlich hatte sich zuvor bereits Kurz geäußert. Österreichs Ziel sei eine gemeinsame Lösung mit Deutschland, Italien und der EU, um einen "Dominoeffekt" zu vermeiden, sagte Strache am Donnerstag in Wien.

Einem Bericht zufolge kamen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nur gut ein Viertel aller unerlaubt nach Deutschland eingereisten Migranten aus Österreich. Wie die "Rheinische Post" unter Berufung auf Angaben der Bundespolizei berichtete, erfolgten 73 Prozent der insgesamt 18.024 illegalen Grenzübertritte über andere Grenzen, etwa aus der Schweiz und Tschechien.

Seehofer kündigte weitere Gespräche mit anderen Staaten an. "Es werden sehr schwierige Gespräche", sagte der CSU-Vorsitzende, der nach eigenen Angaben am Mittwoch bereits mit Orban und dem italienischen Innenminister Matteo Salvini gesprochen hatte. Orban lehnte es am Donnerstag bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) strikt ab, Flüchtlinge von Deutschland zurückzunehmen. Ungarn sei nicht für Flüchtlinge zuständig, die in Griechenland zuerst die EU betreten hätten, dort aber nicht registriert worden seien, sagte Orban in Berlin.

Deutschland könne Ungarn dankbar sein, weil es die Balkanroute abgeriegelt habe, fügte Orban hinzu. "Sonst würden täglich 4000 bis 5000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Das ist Solidarität." Der Zaun an der Grenze zu Serbien und Kroatien mache es "unmöglich", illegal über die Grenze zu kommen. "Damit schützen wir nicht nur Ungarn, sondern auch Deutschland", sagte Orban. Ungarn nehme Deutschland damit eine "immense Last von den Schultern".

Seehofer verwies darauf, dass Merkel bisher nur von Griechenland und Spanien feste Zusagen für Rücknahmeabkommen erhalten habe. Nach Angaben der Kanzlerin soll es noch mit einer Reihe weiterer Staaten solche Vereinbarungen geben. Diese auszuhandeln, sei Sache der Innenminister, hatte Merkel nach dem EU-Gipfel Ende Juni gesagt.

Diesen Ball spielte Seehofer nun an die Kanzlerin zurück: Angesichts der "Komplexität und der europäischen Dimension" müssten am Ende die "wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden". mid/cp AFP