Papst will Missbrauchsopfer treffen
Berlin (dpa) - Im Besuchsprogramm steht nichts davon - aber der Papst will wohl in Deutschland auch Missbrauchsopfer treffen. Per „Wort zum Sonntag“ kommt Benedikt schon vor dem Besuch in die deutschen Wohnzimmer.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erhofft sich von Papst-Besuch, dass er katholische und evangelische Christen näher zusammenbringt. Die Ökumene stehe im Mittelpunkt der Visite, sagte die CDU-Chefin am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Papst Benedikt XVI. wird in der kommenden Woche Deutschland besuchen. Er will sich nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) auch mit Missbrauchsopfern treffen. Daran sollen zudem Menschen teilnehmen, die sich des Leids der Missbrauchsopfer besonders angenommen haben, schreibt das Blatt.
Weiter gestritten wird derweil über den geplanten Auftritt des Papstes im Bundestag. Mehrere Unionspolitiker nannten den angekündigten Boykott der Rede durch Oppositionsabgeordnete am Samstag beschämend.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) schrieb in einem Gastkommentar für die „Bild am Sonntag“: „In einer Demokratie kann jeder Kritik an einer Person äußern. Man muss ihm aber zuerst zuhören. Das ist ein Gebot des Anstands (...)“ . 51 Prozent der Deutschen finden es nach einer Emnid-Umfrage für das Magazin „Focus“ richtig, dass der Papst im Bundestag spricht. 39 Prozent halten es für falsch.
Aus dem Vatikan hatte es in den vergangenen Tagen keine Bestätigung für etwaige Pläne von Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern in Deutschland gegeben. Gleichwohl wird allgemein davon ausgegangen, dass er abseits des Medienrummels mit Betroffenen spricht. Solche Treffen, die es auch bei früheren Auslandsreisen schon gab, waren nie vorab angekündigt oder gar offiziell ins Programm aufgenommen worden.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sagte den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Samstag), er könne „den Wunsch der Opfer nach einer solchen Geste des Papstes nachvollziehen“. Denn: „Hier geht es um tiefe seelische Verwundungen. Und solche Verwundungen sind umso schlimmer, wenn sie durch Vertreter der Kirche geschehen.“
Schon vor seinem Deutschlandbesuch wollte Benedikt XVI. am Samstagabend das „Wort zum Sonntag“ in der ARD sprechen. Der Pontifex reist am 22. September zuerst nach Berlin und besucht dann Thüringen und Freiburg, bevor er am 25. September nach Rom zurückfliegt.
Die bekennende Protestantin Merkel sagte, es sei „wichtig, die Einheit der Christen in unserer Zeit wieder zu betonen, denn die Säkularisierung schreitet voran, und das Gemeinsame des christlichen Glaubens sollte immer wieder in Erinnerung gerufen werden“. Über die katholischen Kirche sagte die Kanzlerin: Sie sei weltweit verankert und trage eine weltweite Verantwortung für Gerechtigkeit und Frieden. „Diese Rolle ist in unseren Zeiten von unschätzbarem Wert.“
Zollitsch zeigte sich in der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag) davon überzeugt, dass Benedikt XVI. neue Anstöße in Sachen Ökumene geben wird. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, äußerte in einem Video-Interview der „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag) die Erwartung auf „ein paar Signale (...) wie wir in der Ökumene weiterkommen“. Das beträfe die Betrachtung der Person von Martin Luther, „der uns sehr viel stärker verbindet, als dass er uns trennt“, sagte Schneider.
Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza sieht die Bundestagsrede des Papstes nicht problematisch. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Wenn ich einem Gast erlaube und bitte, vor meinem Forum zu sprechen, heißt das noch nicht, dass ich mich mit seinen Meinungen, seiner Herkunft oder seiner Tradition identifiziere.“
Etwa 100 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken wollen der Rede am 22. September fernbleiben, weil sie den Auftritt für unvereinbar halten mit der religiösen Neutralität des Staates. Die Befürworter entgegnen, der Papst sei als Staatsoberhaupt des Vatikan im Rahmen seines Staatsbesuchs eingeladen worden.
Einige Mitglieder der Grünen-Fraktion planen nach Angaben des Abgeordneten Omid Nouripour, mit Aids-Schleifen zu erscheinen. „Wir möchten uns mit Aids-Kranken solidarisieren vor dem Hintergrund der aus unserer Sicht kritikwürdigen Verhütungspolitik des Vatikans“, sagte Nouripour dem „Focus“.
Trotz der Boykottankündigungen sind leere Reihen im Bundestag bei der Papst-Rede unwahrscheinlich. Alle Fraktionen hatten sich darauf verständigt, freie Plätze durch ehemalige Abgeordnete aufzufüllen.