Parteiverbot mit Hindernissen
Am Dienstag startet in Karlsruhe der zweite Anlauf, die NPD zu verbieten. Wie im ersten Versuch, könnten V-Leute das Verfahren platzen lassen.
Karlsruhe/Düsseldorf. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) unter seinem Präsidenten Andreas Voßkuhle nimmt sich von Dienstag an drei Tage Zeit. Am Ende des Verfahrens soll ein Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, kurz NPD, stehen. Um Schlag 10 Uhr beginnt die mündliche Verhandlung in Karlsruhe — es ist der zweite und bei einem erneuten Scheitern wohl zunächst der letzte Anlauf, die rechtsextreme Partei zu verbieten.
Vor dreizehn Jahren flog den drei Antragstellern — zunächst die Bundesregierung unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD), später gesellten sich Bundesrat und Bundestag mit eigenen Anträgen hinzu — ihr Vorhaben gründlich um die Ohren. Drei von sieben Karlsruher Richtern missfiel im Jahr 2003 die „fehlende Staatsferne“ der Partei. Am 18. März des Jahres stellte der Senat das Verfahren gegen die NPD ein. Ob die Partei nun verfassungsfeindlich ist oder nicht, das wurde vor Gericht gar nicht geprüft.
Die fehlende Staatsferne könnte auch diesmal zum Problem werden. Der erste Versuch scheiterte an der Zahl der V-Leute, die die Behörden in der Rechtsaußenpartei — gegründet 1964 — installiert hatten. Jeder Siebte im NPD-Vorstand soll für Polizei und oder Verfassungsschutz gearbeitet haben. Dass sie Informanten in der Parteiführung installiert hatten, verschwiegen die Behörden den Karlsruher Richtern, auch, dass die staatlich bezahlten Spitzel bei der Politik der NPD mitmischten. Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen beispielsweise soll gleich komplett durch V-Leute gesteuert worden sein.
Vor dem aktuellen Verbotsverfahren haben die Innenminister der Bundesländer aber versichert, alle Spitzel aus der Partei(-spitze) abgezogen zu haben. Der Bundesrat, also die Länder, sind alleinige Antragsteller, Regierung und Bundestag beteiligen sich nicht. Vier Aktenordner mit Belegen für die „Abschaltung“ von elf V-Leuten — Vermerke, Gesprächsprotokolle und E-Mails — haben die Länder zum Beweis der Staatsferne nachgereicht.
Dennoch glauben Experten, dass die NPD-Anwälte auch diesmal die V-Leute zum Kern ihrer Verteidigung machen werden. Der Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow von der Hochschule Düsseldorf nennt diese wahrscheinliche Strategie den „zentralen Hebel“. „Möglicherweise werden sie jemanden outen und als V-Mann vorführen“, vermutet er. Falsch dürfte er damit nicht liegen: „Wir haben einiges in petto“, zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Peter Richter, Rechtsanwalt aus Saarbrücken und Verfahrensbevollmächtigter der NPD.
Die wird morgen möglicherweise gleich mit drei ehemaligen und einem amtierenden Parteichef in Karlsruhe auflaufen. Neben dem seit November 2014 amtierenden Parteichef Frank Franz (37) werden auch dessen Vorgänger Holger Apfel (45) — nach einem Sexskandal zurückgetreten, heute Gastwirt auf Mallorca, — der heutige EU-Parlamentarier Udo Voigt (65) sowie Udo Pastörs (63), Mitglied im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, erwartet. Gut möglich, dass sie über ehemalige oder aktive V-Leute in ihrer Partei Auskunft geben.
Den gut 260-seitigen Verbotsantrag haben die Antragsteller im vorigen Sommer noch um 140 weitere Seiten ergänzt. Darin legen sie dar, welche Rolle die NPD bei der aktuellen Hetze gegen Flüchtlinge spiele und „wie tief der braune Sumpf in Teilen Deutschlands bereits vorgedrungen“ sei, wie der damalige Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), erklärte.
Amtskollege Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern sieht das mit dem braunen Sumpf wohl ähnlich; er warnte in einem Interview: „Ein Verbot der Partei heißt nicht, dass es keinen Rechtsextremismus mehr gibt.“