„Pegida“: Wut und Politikverdrossenheit
Wie der Düsseldorfer Extremismusforscher Alexander Häusler die neue Bewegung „Pegida“ sieht.
Düsseldorf. Ausgehend von Dresden gibt es seit einigen Wochen Demonstrationen von Gegnern einer „Islamisierung“.
Herr Häusler, erst in Dresden, nun auch in anderen Städten geht die Anti-Islam-Bewegung Pegida (auch unter verwandten Namen, s. Infokasten) auf die Straße. Was sind die Ziele?
Alexander Häusler: Der Forderungskatalog dieser Bewegung ist von anfangs einigen wenigen auf nun 19 Punkte angewachsen. Dabei wird das Thema „Islamisierung der Gesellschaft“ vermischt mit dem Thema der wachsenden Asylbewerberzahlen, dem Thema Gender Mainstreaming und weiteren Themen. Da kommt eine Wut über gesellschaftliche Ausdifferenzierungs- und Anerkennungsprozesse zum Ausdruck. Das paart sich mit einer starken Politikverdrossenheit. (Anmerkung der Redaktion: Gender Mainstreaming bedeutet Geschlechtergerechtigkeit — bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben sollen die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern berücksichtigt werden.)
Wer geht da auf die Straße?
Häusler: Bei der Demonstration am vergangenen Montag in Düsseldorf waren es mehr oder weniger die üblichen Verdächtigen vom rechten Rand. In Dresden geht ein viel breiteres Wutbürgertum auf die Straße.
In Dresden demonstrieren Tausende, in Düsseldorf waren es nur einige Hundert — woran liegt das?
Häusler: Weil die Menschen in NRW längst daran gewöhnt sind, multikulturell zu leben. Im Alltag, mit den Muslimen. In Ostdeutschland gibt es das so kaum. Da lassen sich leichter Ängste schüren.
Was treibt diese Menschen, die ja nicht zu den Rechtsaußen in der Gesellschaft zu zählen scheinen?
Häusler: Bei denen mischt sich ein diffuses Gefühl, selbst abgehängt zu sein oder bevormundet zu werden. Viele wünschen sich ein Bild einer deutschen Gesellschaft, wie es sie vor 1968 oder in einer geordneten DDR mal gab. Es gibt Ressentiments gegen eine multi-kulturelle Gesellschaft, Befürchtungen, dass die nationale Identität verloren geht.
Gibt es Schnittmengen mit der Hogesa, der Bewegung Hooligans gegen Salafisten?
Häusler: Inhaltlich geht es in beiden Bewegungen um den Islamismus. Doch bei Hogesa handelt es sich um eine organisierte, gewaltbereite Bewegung, die gar nicht den normalen Bürger ansprechen will. Wohl aber hat die Hogesa-Bewegung auch einen Einfluss auf Pegida.
Inwiefern?
Häusler: Die Ausschreitungen in Köln und die Medienberichte darüber haben dem Thema Islamismus einen Schub gegeben. Den Menschen wird ein bewusst niederschwelliges Angebot gemacht, das Demonstrieren wird als Ventil für eine angestaute Wut genutzt. Deshalb marschiert dort der Bürger, der sich als Teil der gesellschaftlichen Mitte empfindet, zusammen mit dem organisierten Rechtsextremisten und dem Hooligan.
Wie nehmen Sie die politische Reaktion auf die neue Bewegung wahr?
Häusler: Die ist meiner Wahrnehmung nach noch nicht eindeutig fassbar. Während aus einem ein großen Teil der Parteien Kritik an den ausgrenzenden Forderungen der Demonstranten bekundet wurde, haben sich führende Politiker der AfD positiv zur Pegida geäußert.
Wie sollte die Politik reagieren?
Häusler: Durchaus einen Dialog führen. Sich in Bürgeranhörungen den Fragen der Menschen stellen. Auch die Kirchen sollten hier mitmachen. Dabei muss unterschieden werden zwischen berechtigter Kritik an religiösem Fundamentalismus und Gewalt einerseits und stumpfen Ressentiments gegenüber Minderheiten und Hilfsbedürftigen anderseits. Zudem sollten Themen wie Zuwanderung und religiöse Vielfalt bloß unter negativen Vorzeichen öffentliche Beachtung erfahren. Wir sind eine multikulturell verfasste Einwanderungsgesellschaft. Aufgabe von Politik muss sein, Aushandlungsprozesse drüber in Gang zu bringen, wie wir ein friedliches, tolerantes und solidarisches Zusammenleben gestalten können. Das beinhaltet auch die Akzeptanz von Unterschiedlichkeit.
Ist ein Dialog möglich?
Häusler: Dialog erfordert Bereitschaft zur Kommunikation. Wer sich selbst von vornherein ermächtigen will, zu bestimmen, wer zum Volk gehören soll und wer nicht, verweigert sich diesem Dialog.