Peking verschärft Ton im Handelsstreit - Merkel will vermitteln
Berlin/Potsdam (dpa) - China hat im Streit mit der EU um Strafzölle auf chinesische Solarmodule und Telekommunikationsprodukte den Ton verschärft.
Gerade vor dem Hintergrund der nach wie vor schwächelnden Weltwirtschaft seien internationale Handelsschranken besonders fragwürdig, warnte der neue chinesische Ministerpräsident Li Keqiang am Sonntag nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin.
Merkel sagte, sie halte nichts von dauerhaften Strafzöllen. Deutschland werde sich in den nächsten sechs Monaten intensiv für eine Verhandlungslösung zwischen China und der Europäischen Union stark machen. „Deutschland wird alles daran setzen, dass wir in diesen Gesprächen wirklich vorankommen“, versprach die Kanzlerin.
Die EU will den Solar-Billigimporten aus China einen Riegel vorschieben und die Einfuhr von Solarmodulen dem Vernehmen nach mit einem durchschnittlichen Zollsatz von 47 Prozent belegen. China hatte im Gegenzug kürzlich eine Anti-Dumping-Untersuchung zu Importen von Stahlrohren aus Europa eröffnet.
Li warnte, mit Strafzöllen werde „das falsche Signal gesetzt, dass Handelsprotektionismus wieder ein Comeback erfährt“. Strafzölle würden nicht nur Industrie und Verbraucher in seinem Land stark treffen, sondern auch europäische Unternehmen und Verbraucher. An Merkel gerichtet sagte er mit Blick auf den Solarstreit: „Ich würdige sehr Ihre Haltung.“ Er erwarte vom deutschen Einsatz aber nicht, dass dieser die Gespräche seines Landes mit der EU-Kommission ersetze.
Sein Land sei sehr an guten Beziehungen zur EU interessiert, versicherte Li. Langfristig könne man bei Gesprächen über ein Freihandelsabkommen einen großen Schritt vorankommen. Die deutsch-chinesischen Beziehungen könnten Vorbild sein, sie seien „auf der Überholspur“ und für die Entwicklung Europas und der Welt wichtig.
Er hoffe, dass die EU und die Eurozone ihre Schwierigkeiten überwinden könnten, sagte Li Keqiang. Merkel äußerte sich zufrieden, dass China den Euro auch in der Krise immer als wichtige Währung gesehen und zu dessen Stützung eingegriffen habe. Mit Blick auf den Menschenrechtsdialog zwischen beiden Ländern sagte sie, das Verhältnis habe einen Stand erreicht, in dem auch Meinungsverschiedenheiten ausgehalten werden könnten.
Die Treffen Merkels mit Li gelten als möglicher Start in eine neue Ära der Beziehungen beider Länder. Mit Lis Vorgänger Wen Jiabao hatte Merkel schon eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung verbunden.
Deutschland und China wollen ihre Zusammenarbeit in der Wirtschaft und bei einer Vielzahl anderer Themengebiete verbessern. Minister und Unternehmensvertreter beider Seiten unterzeichneten eine zweistellige Zahl von Abkommen. Angaben über Volumen der Abkommen gab es zunächst nicht. China will im Energie- und Umweltbereich sowie nach zahlreichen Lebensmittelskandalen vom deutschen Know-How profitieren. Auch die kulturelle Zusammenarbeit und das gegenseitige Erlernen der Sprache sollen intensiv gefördert werden.
Unter anderem wurden Vereinbarungen von den Automobilherstellern BMW und VW unterschrieben. Vertreter der Siemens AG unterzeichneten Abkommen über einen Servicevertrag für Gasturbinen sowie eine Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit bei der Rohölverarbeitung. Zudem wurden Verträge über die Bestellung von Schiffen auf chinesischen Werften sowie ein Darlehensvertrag für den Kauf von Containerschiffen durch eine deutsche Reederei unterzeichnet.
Am Vormittag hatte Li bei einem Treffen mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) auf Schloss Cecilienhof in Potsdam den Anspruch seines Landes auf eine unbewohnte Inselgruppe im Ostchinesischen Meer unterstrichen. Japan müsse die Territorien zurückgeben. Die zwischen beiden Ländern seit langem umstrittenen Inseln seien China einst von Japan gestohlen worden.
Deutschland ist das einzige EU-Land auf Lis Reiseroute. Zuvor war er in Indien, Pakistan und der Schweiz. Am Montag kommt Li Keqiang erneut mit Merkel zusammen. Außerdem trifft er vier Monate vor der Bundestagswahl SPD-Chef Sigmar Gabriel, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Altkanzler Helmut Schmidt.