AfD Petry hat doppelt verloren
Frauke Petry hat sich auf dem Kölner AfD-Parteitag ins Abseits manövriert. Alexander Gauland und Alice Weidel bilden das Spitzenteam für den Wahlkampf.
Köln. Schlachten werden bei der AfD nebenbei geschlagen. Frauke Petry tippt auf ihrem Handy herum, ihr Co-Vorsitzender Jörg Meuthen kritzelt in seinem Redemanuskript. Beide würdigen sich keines Blickes. Unten im Saal wird schon seit fast zwei Stunden darüber debattiert, was überhaupt auf der Tagesordnung des Parteitages stehen soll. Dann wird über ein Detail dieser Tagesordnung abgestimmt, und Frauke Petry ist, noch ehe es richtig begonnen hat, schon die Verliererin des Kölner Delegiertentreffens. Und zwar doppelt.
Zum einen beschließen 56 Prozent der 600 Delegierten, dass es in Köln eine Abstimmung über ein Spitzenteam zur Bundestagswahl geben soll. Meuthen hat sich dafür mächtig ins Zeug gelegt. Petry nicht, sie denkt, dass es anders ausgeht. Wenn es nämlich kein gesondertes Spitzenteam gibt, führt automatisch sie als Vorsitzende die Partei in den Wahlkampf, wenn auch mit Meuthen an der Seite. Vorsorglich hatte Petry am Donnerstag vor dem Parteitag erklärt, dass sie weder alleinige Spitzenkandidatin werden, noch einem Spitzenteam angehören wolle. Sie dachte, das sei ein kluger Schachzug. Nun ist sie wegen dieser Erklärung plötzlich aus dem Spiel. Eine Partei-Königin ohne Land.
Alexander Gauland, neben Meuthen Petrys eigentlicher Gegenspieler, gibt sich gönnerhaft: „Ich bin sehr dafür, dass sie weiter an vorderster Stelle mitwirkt“, sagt er in den Fluren. Am Samstag noch überlegen er und seine Mitstreiter, Petry noch einmal zum Mitmachen in einem Spitzenteam aufzufordern. Wohl wissend, dass sie das nach ihrer Erklärung nicht mehr kann. Am Sonntag, als die Personalentscheidung ansteht, lassen sie selbst das.
Gauland (76) als Vertreter des rechten Flügels und die Baden-Württembergerin Alice Weidel (38), die dem eher liberalen Flügel angehört, treten als Spitzenduo an und werden mit großer Mehrheit gewählt. Sie haben sich vorher gegen Petry zusammengetan. Beide melden sich bis zu ihrer Wahl nicht ein einziges Mal zu Wort, sitzen nur schweigend auf dem Präsidium. Schlachten werden bei der AfD auch nebenbei gewonnen.
Die Noch-Parteivorsitzende unterliegt auch mit ihren inhaltlichen Anliegen. Sie will mit einem „Zukunftsantrag“ ein Bekenntnis zur Realpolitik erzwingen, und mit einem weiteren dann auch noch die Abgrenzung vom national-völkischen Flügel um den Thüringer Björn Höcke. Dagegen steht ein Antrag, der Höcke ausdrücklich in Schutz nimmt. Doch die Mehrheit empfindet Petrys Vorgehen als konfrontativ. Es erinnert ihn, sagt ein Delegierter aus Berlin, an den Parteigründer Bernd Lucke, der 2015 im Kampf gegen Petry ähnlich vorging — unterlag und die Partei verließ. Die Delegierten beschließen, dass über keinen einzigen der zusätzlichen Anträge beraten wird. Also auch nicht über Petrys Vorstöße. Es soll nur um das Wahlprogramm gehen. Die AfD-Basis will jetzt in den Wahlkampf ziehen.
Petry hat sich für die Entscheidungsschlacht mit ihren innerparteilichen Konkurrenten schlichtweg den falschen Zeitpunkt ausgesucht. Die äußeren Umstände des Treffens spielen auch eine Rolle. Schon seit sieben Uhr morgens ziehen am Samstag wechselnde Demonstrationszüge durch die Kölner Altstadt. Durch die großen Fenster des Tagungshotels sehen die Delegierten Wasserwerfer, Absperrungen, und drüben am Heumarkt, kaum 100 Meter entfernt, die Demonstranten. Das Geschehen draußen bestärkt die Geschlossenheit drinnen. Wie in einer Wagenburg.
Frauke Petry (41), derzeit hochschwanger, verfolgt den Rest des Parteitages wie eine Abwesende. Bei der Beratung über das Wahlprogramm ist sie nur noch selten im Saal. 130 Anträge gibt es, um jedes Detail wird gerungen. Das plätschert stundenlang dahin. Emotionaler wird es, als es um die Kirchen geht. Ein relevanter Teil will sich deutlich von ihnen distanzieren und zum Beispiel die Kirchensteuer abschaffen. Auch als Reaktion auf die Demonstrationen draußen. Die Mehrheit ist dagegen. Gar nicht abgestimmt wird über einen Antrag, der sich für das Existenzrecht Israels ausspricht. Nichtbefassung, entscheidet die Mehrheit. Ob das auch Ablehnung bedeutet, bleibt unbeantwortet.
Als der Parteitag beendet wird, tritt Gauland ans Pult. Er sagt, dass es ein erfolgreiches Treffen war. Dass er froh ist, dass der ganze Streit jetzt zu Ende sei. Und er wendet sich der geschlagenen Frauke Petry zu, die isoliert ganz am Rand des Vorstandstisches sitzt: „Wir brauchen Sie.“ Die Delegierten jubeln.