Piraten-Prozess beginnt mit Streit um Alter
Hamburg (dpa) - Einer der spektakulärsten Seeräuber-Prozesse seit den Tagen Klaus Störtebekers hat am Montag in Hamburg unter großem Medienandrang begonnen. Zum ersten Mal müssen sich mutmaßliche Piraten aus Somalia vor einem deutschen Gericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Angriff auf den Seeverkehr und erpresserischen Menschenraub vor. Einer der Angeklagten ist nach eigenen Angaben erst 13 Jahre alt - und wäre damit nicht strafmündig. Die Staatsanwaltschaft hält ihn aber für älter und stützt sich dabei auf Gutachten. Zum Prozessauftakt fordert der Verteidiger Thomas Jung, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen.
„Die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Schätzgutachten sind wissenschaftlich gesehen ohne Aussagekraft“, kritisierte Jung. Sachverständige schätzten das Alter des jungen Mannes auf mindestens 15 Jahre. „Ein Kind hat hier nicht vor Gericht zu stehen, wenn die Altersangabe 13 richtig ist“, sagte der Vorsitzende der Strafkammer, Bernd Steinmetz. Ein Teil der 20 Verteidiger beantragte zudem, die Öffentlichkeit aus Rücksicht auf das Alter des Jugendlichen und der Heranwachsenden von der Verhandlung auszuschließen. Dazu will das Gericht beim nächsten Verhandlungstag Stellung nehmen.
Schmächtig und in Trainingsjacken - so betraten die meisten der Angeklagten den voll besetzten Sitzungssaal. Einige von ihnen humpelten sogar. Als die Anklage verlesen wurde, fing der jüngste von ihnen an zu weinen, sein Körper zitterte.
Die zehn Angeklagten sollen laut Staatsanwaltschaft am Ostermontag das Hamburger Containerschiff „Taipan“ überfallen haben. Demnach verfolgten sie das Frachtschiff rund 530 Seemeilen vor der somalischen Küste. Als der Kapitän Signalraketen auf die Verfolger abschoss, eröffneten sie mit Sturmgewehren das Feuer und enterten schließlich das Schiff, so die Anklage weiter. Die 15-köpfige Besatzung konnte sich noch in einen speziellen Sicherheitsraum retten, verletzt wurde niemand.
Ein niederländisches Marinekommando überwältigte die zehn Männer nach knapp vier Stunden und nahm sie fest. Die Soldaten stellten vollautomatische Sturmgewehre, halbautomatische Pistolen und russische Panzerabwehrwaffen sowie Munition sicher. Im Juni wurden die Somalier von den Niederlanden nach Deutschland ausgeliefert, sie kamen nach Hamburg. Zu den Vorwürfen schwiegen die Angeklagten bisher. Bei einer Verurteilung drohen ihnen Höchststrafen von bis zu 15 Jahren Haft.
In einer gemeinsamen Stellungnahme machten die Verteidiger auf die spezielle Situation der Angeklagten in Somalia aufmerksam. Der ostafrikanische Staat sei durch Hunger, fehlende medizinische Versorgung und Terror gezeichnet. „Das somalische Volk leidet; eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht.“ Auch einige Demonstranten machten vor dem Gerichtsgebäude auf die Situation aufmerksam. Mit Spruchbändern und Flugblättern protestierten sie gegen die „neokoloniale Ausbeutung Afrikas“.
Der nächste Verhandlungstag ist am Mittwoch, den 1. Dezember. Insgesamt hat das Gericht Termine bis Ende März angesetzt.