Piratenpartei rückt nach links
Offenbach (dpa) - Der Parteitag der Piraten hat sich in Offenbach für das sozialpolitische Modell eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ausgesprochen. Die Entscheidung wurde auf dem Parteitag als ein Schritt nach links bewertet.
Ein entsprechender Antrag zur Aufnahme des Modells in das Parteiprogramm wurde nach heftiger Debatte mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit der mehr als 1200 Teilnehmer angenommen. Die Auszählung ergab eine Zustimmung von 66,9 Prozent.
Das BGE sichert jedem Bürger eine finanzielle Zuwendung zu, ohne dass dafür eine Gegenleistung erbracht wird. Es soll, so heißt es in der Entschließung, „die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden“. Der Antrag schlägt die Bildung einer Enquete-Kommission im Bundestag vor, „deren Ziel die konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle sein soll“. Daneben sollten die Grundlagen für eine Volksabstimmung in dieser Frage geschaffen werden.
Der Antrag wurde von Johannes Ponader aus Berlin eingebracht, der sich auch in der Occupy-Bewegung engagiert. Unterstützt wurde er auch von weiteren Politikern der Piraten in Berlin, die mit ihrem Wahlerfolg am 18. September und dem Einzug ins Abgeordnetenhaus die Partei bundesweit beflügelt und in den Umfragen auf Werte von zuletzt etwa sieben Prozent gehievt hat. Ponader sagte nach der Abstimmung, jetzt gehe es darum, das Drittel der BGE-Gegner zu überzeugen und in der Partei zu integrieren.
Auch mit Blick auf die BGE-Diskussion warnte der Parteivorsitzende Sebastian Nerz zu Beginn des Parteitags vor der Gefahr einer Spaltung. Konkret sehe er zwar keine derartige Entwicklung, sagte Nerz der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe aber viele inhaltlich, zum Teil ideologisch begründete Brüche.
Mehrere Anträge zum allgemeinen Menschen- und Gesellschaftsbild der Partei fanden am Samstag keine Mehrheit. Angenommen wurde aber der Antrag, eine entschiedene Haltung gegen Rassismus jeder Art ins Programm aufzunehmen. „Gewalt und Einschüchterung aufgrund der Herkunft, Religion oder Kultur sind in jedem Fall inakzeptabel“, heißt es dort. „Darum muss Rassismus und Ausländerfeindlichkeit jeder Form entschieden entgegengetreten werden, ebenso wie anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“
In seiner Eröffnungsrede kritisierte Nerz die Bundesregierung und warf ihr vor, in der Euro-Krise eine Politik der Entdemokratisierung zu betreiben. Wichtige Entscheidungen würden zunehmend aus den Parlamenten zu den Staats- und Regierungschefs verlagert.
Zum Berliner Wahlergebnis von 8,9 Prozent sagte Nerz: „Die Piratenpartei ist in der Realpolitik angekommen. Spätestens nach der Schleswig-Holstein-Wahl wird klar sein, dass wir keine Eintagsfliege sind.“ Bei dieser Landtagswahl im Mai 2012 wollen die Piraten erstmals auch in einem Flächenland ins Parlament einziehen. Einschließlich aller kommunalen Vertretungen stellten die Piraten bereits 176 Mandate in Deutschland.
Bei den Parteitagen der Piraten gibt es keine Delegierten - jedes Mitglied ist antrags- und abstimmungsberechtigt. Wegen der Vielzahl von Anträgen - die Zusammenfassung ist 865 Seiten groß - wurde eine Auswahl von 40 Anträgen getroffen. Dazu gehören auch Initiativen für „eine repressionsfreie Drogenpolitik“ und die Trennung von Staat und Religion.
Das bisherige Programm der Partei stammt aus dem Gründungsjahr 2006 und konzentriert sich vor allem auf Themen der digitalen Gesellschaft. Eine erste Ergänzung um weitere Politikfelder fand vor einem Jahr auf einem Programmparteitag in Chemnitz statt.