Piratenpartei starten ins Parlamentsleben
Berlin (dpa) - Die Tücken der politischen Realität und die Probleme mit idealistischen Zielen haben die neu gewählten Piraten in Berlin schneller eingeholt als gedacht. Zwar starteten die 15 Abgeordneten am Donnerstagabend mit ihrer ersten und öffentlichen Sitzung in ihre parlamentarische Arbeit.
Doch die Schwierigkeiten mit politischen und persönlichen Differenzen, Satzungsfragen, Terminen und Machtansprüchen Einzelner waren unübersehbar. Euphorie gab es nur in einem Punkt: Die Zusammenarbeit mit den Technikexperten des Abgeordnetenhauses klappte von Beginn an perfekt.
Einige Abgeordnete hatten sich schon vor der Sitzung öffentlich bereiterklärt, Vorsitzende zu werden. Anderen ging dieses Vorgehen deutlich zu schnell. Nach einer längeren und teilweise emotionalen Debatte wurde das Thema vorerst aufgeschoben. Als erstes plant die Fraktion nun, eine Satzung auszuarbeiten. Außerdem wurden zwei Mitglieder bestimmt, die den Kontakt zur Verwaltung halten sollen.
Die anfänglichen Vorschläge für eine schnelle Wahl der Spitzenposten, die vom Spitzenkandidaten Andreas Baum und seinem Kollegen Christoph Lauer kamen, wurden von einem Teil der Fraktion vehement abgelehnt. „Ich finde das ziemlich intransparent“, sagte die 19-jährige Susanne Graf über die kurzfristige Planung. „Wir haben noch nicht einmal eine Fraktion, da brauchen wir auch keinen Fraktionsvorsitzenden.“ Echte Abgeordnete sind die gewählten Piraten-Politiker erst ab der konstituierenden Sitzung des Landesparlaments am 27. Oktober.
Trotz des Widerstandes einzelner Abgeordneter soll die angekündigte Öffentlichkeit der Sitzungen und Beschlüsse vorerst beibehalten werden. Zeitweise drängten sich mehrere Kamerateams während der Debatte um die Tische der überwiegend jungen Parlamentarier. Lauer sagte zu der Debatte über einige Streitpunkte: „Ich habe große Bauchschmerzen damit, dass wir das hier so vor der Presse machen.“ Andere widersprachen: „Es geht hier um politische Entscheidungen.“ Fraktionssitzungen sollen nach den jetzigen Plänen entweder live ins Internet übertragen werden beziehungsweise aufgezeichnet oder protokolliert und später öffentlich gemacht werden.
Der erfolgreiche Spitzenkandidat Andreas Baum sieht seine Partei auch auf Bundesebene auf Erfolgskurs. „Ich gehe fest davon aus, dass wir über die Fünf-Prozent-Hürde kommen“, sagte Baum dem HR-Infosender mit Blick auf die nächste Bundestagswahl 2013.