Pisa-Studie: Deutschland behauptet sich im Mittelfeld
Berlin (dpa) - Der Pisa-Schock war gestern: Die deutsche Schule macht Fortschritte, die Leistungen werden besser. Doch noch immer ist der Bildungserfolg hierzulande zu abhängig von der sozialen Herkunft.
Die 15-Jährigen in Deutschland können im Schnitt besser rechnen und lesen als Gleichaltrige in anderen Industriestaaten. Beim fünften weltweiten Pisa-Schultest behaupteten sich die Schüler in der Bundesrepublik erneut im Mittelfeld.
In Mathematik, Lesen/Textverständnis und den Naturwissenschaften erreichten sie durchweg Werte oberhalb des Durchschnitts. Auch die Zahl der leistungsschwachen Schüler ging zurück. Doch noch immer können knapp 18 Prozent der Heranwachsenden nur ganz einfache Mathe-Aufgaben lösen.
Eindeutige Pisa-Sieger sind erneut die Schüler aus den asiatischen Regionen Shanghai, Singapur, Hongkong und Taipeh. 15-Jährige aus diesen Ländern sind Gleichaltrigen aus Deutschland allein in Mathematik um zwei bis drei Schuljahre voraus. Aber auch die Schüler aus der Schweiz und den Niederlanden finden sich in der weltweiten Mathe-Leistungstabelle unter den zehn Erstplatzierten.
OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger sagte bei der Präsentation der Pisa-Studie, die deutschen Schulen würden sich „kontinuierlich nach vorne arbeiten“. Ischinger: „Es wird Zeit, den Begriff "Pisa-Schock" durch "Pisa-Fortschritt" zu ersetzen.“ Die amtierende Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) betonte: „Deutschland hat sich nicht nur schocken lassen, sondern auch wecken lassen durch Pisa.“
Beim Pisa-Schwerpunkt Mathematik erreichten die Schüler in Deutschland diesmal 514 Punkte (2009: 513). Sie liegen damit 20 Punkte über dem Schnitt der anderen Teilnehmerländer (494) - was einem Lernvorsprung von einem halben Schuljahr entspricht. Ähnliches gilt für die Naturwissenschaften. In der für das weitere Lernen so wichtigen Disziplin Lesen/Textverständnis ist der deutsche Vorsprung allerdings nur halb so groß.
Pisa ist der weltweit größte Schultest. Er wird seit 2000 alle drei Jahre von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris organisiert. Das nur äußerst mäßige deutsche Abschneiden vor allem bei Lesen/Textverständnis hatte beim ersten Test 2000 in der Öffentlichkeit den sogenannten Pisa-Schock ausgelöst. Die Kultusminister hatten daraufhin zahlreiche Schulreformen auf den Weg gebracht, unter anderem einheitliche Bildungsstandards für alle 16 Bundesländer.
Jungen sind mit ihren Mathe-Fähigkeiten gleichaltrigen Mädchen im Schnitt ein knappes halbes Schuljahr voraus. Der Vorsprung der Jungen hat sich im Vergleich zu früheren Pisa-Tests sogar noch vergrößert. Mädchen sind generell der Mathematik gegenüber negativer eingestellt. Ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist geringer, ebenso ihre Motivation und Lernausdauer.
Die in Deutschland ausgeprägte Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft hat sich leicht abgeschwächt. Gleichwohl haben Schüler aus der Oberschicht in Mathematik im Schnitt einen Leistungsvorsprung von fast eineinhalb Schuljahren gegenüber Gleichaltrigen aus armen Elternhäusern.
Ähnlich sieht es bei Schülern mit Migrationshintergrund aus: Ihr Kenntnisrückstand zu gleichaltrigen Schülern mit deutscher Herkunft beträgt im Schnitt fast zwei Schuljahre.
Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) warnte davor, sich mit diesen Ergebnissen zufriedenzugeben. Fast jedes zweite Unternehmen klage über mangelnde Mathe-Kenntnisse der Schulabgänger. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte, an den deutschen Schulen bleibe das Grundproblem der sozialen Auslese bestehen.
Der deutsche Leistungsanstieg wurde nach Aussage des Bildungsforschers Manfred Prenzel in den vergangenen zwölf Jahren vor allem durch Verbesserungen bei den leistungsschwachen Kindern erzielt. 17,7 Prozent der Schüler in Deutschland erreichen in Mathematik weniger als Level 2. Das heißt, sie können nur einfache Formeln zur Lösung einer Aufgaben anwenden. Im Jahr 2000 waren dies noch 22 Prozent. Gleich geblieben ist dagegen mit 17 Prozent die Zahl der Mathe-Asse. Sie sind in der Lage, strategisch zu denken und Modelle für die Lösung komplexer Aufgaben zu finden.
Weltweit nahmen diesmal 510 000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil. In Deutschland wurden rund 5000 Heranwachsende getestet.