Streit um Ex-Verfassungsschützer im NSU-Prozess
München (dpa) - Im NSU-Prozess hat sich der Streit um die Rolle eines ehemaligen Verfassungsschützers zugespitzt. Am Dienstag warfen Nebenklage-Anwälte dem Oberlandesgericht München mangelnden Aufklärungswillen vor.
Der Senat lehnt es ab, die gesamten Akten über den Ex-Verfassungsschützer Andreas T. in den Prozess aufzunehmen, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel am Tatort war.
T. saß im hinteren Raum eines Internetcafés in Kassel, als die Neonazi-Terroristen dort im April 2006 den 21-jährigen Halit Yozgat ermordeten. T. behauptet, er habe nichts von der Tat mitbekommen; Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Seine Anwesenheit hatte jedoch für Spekulationen gesorgt.
Auch in seiner zweiten Vernehmung vor Gericht am Dienstag berief sich T. immer wieder auf Erinnerungslücken. Er habe erst aus der Zeitung von dem Mord erfahren. Dann habe er geglaubt, dass er an einem anderen Tag in dem Internetcafé gewesen sei. Als Zeuge habe er sich nicht gemeldet, weil er nicht gewollt habe, dass seine Frau von seinen Besuchen auf Flirtseiten erfahre. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl machte deutlich, dass er T. nicht glaube, konnte ihn jedoch auch mit mehreren Ermahnungen nicht zu einer umfassenderen Aussage bewegen. Am Mittwoch soll die Vernehmung fortgesetzt werden.
Das Gericht hatte nur einen Teil der Akten aus dem Ermittlungsverfahren gegen T. beigezogen. Dies mache deutlich, „dass auch dieses Gericht eine vollständige Aufklärung der Tat zum Nachteil Halit Yozgat nicht wünscht“, kritisierte der Nebenklageanwalt Alexander Kienzle, der Angehörige des Opfers vertritt.
Bundesanwalt Herbert Diemer hielt dagegen: Alle Beteiligten könnten die Akten bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe einsehen. Der Schutz von Persönlichkeitsrechten Unbeteiligter spreche gegen eine Beiziehung. Die Akten enthalten unter anderem Protokolle von Telefonüberwachungen. Nach längeren Beratungspausen blieb das Gericht bei seiner Entscheidung: Die Akten werden nicht vollständig in das Verfahren übernommen.
Zahlreiche Nebenklageanwälte hatten sich Kienzles Antrag angeschlossen, aber auch die Verteidiger von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben. Der Senat riskiere nicht nur eine Revision wegen mangelnder Aufklärung, sondern auch eine „Legendenbildung in der rechtsextremistischen Szene“, wenn er die Akten nicht komplett beiziehe, argumentierte Anwalt Kienzle. Der Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler wies auf den Vertrauensverlust in der türkischstämmigen Bevölkerung hin.