Politik will Betrug in Medizinbranche eindämmen
Berlin (dpa) - Milliardenschäden gehen auf das Konto von Betrügern im Gesundheitswesen. Zwei von fünf geprüften Klinikrechnungen haben Fehler oder sind ungerechtfertigt. Strengere Gesetze sollen helfen.
Die Politik setzt auf höhere Strafen für falsche Klinikrechnungen und Ärztebetrug. Vorstöße von Union, SPD sowie Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zielen auf Sanktionen für Krankenhäuser, die bei Krankenkassen falsche oder ungerechtfertigte Leistungen abrechnen.
Die SPD will im Falle eines Wahlsiegs bei der Bundestagswahl gesetzliche Grundlagen schaffen, um Ärzte als korrupt bestrafen zu können, die Zuwendungen der Pharma- oder Medizinprodukte-Industrie annehmen. Das sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.
Fast die Hälfte (45 Prozent) der 2,3 Millionen geprüften Krankenhausrechnungen hätten sich 2011 als fehlerhaft oder ungerechtfertigt erwiesen, berichtete der dafür zuständige Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). Die Koalition erwägt genauere Prüfungen mit Strafmöglichkeiten. „Werden bei den Prüfungen Abrechnungsfehler zu Lasten einer Krankenkasse festgestellt, hat das Krankenhaus den Differenzbetrag und zusätzlich einen Betrag in halber Höhe des Differenzbetrages an die Krankenkasse zu zahlen“, heißt es in den Plänen von Bahr und der Unionsfraktion. Von der FDP-Fraktion war hierzu keine Position in Erfahrung zu bringen.
MDK-Geschäftsführer Peter Pick sagte, die Schäden könnten auf diese Weise verkleinert werden. Sie werden auf rund 900 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr taxiert. Die Chefin des Spitzenverbands der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, sagte: „Wenn man durch eine gute Regelung Anreize etabliert, richtig abzurechnen, kann man den Prüfaufwand minimieren.“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft reagierte empört. „Es ist unverschämt, den Krankenhäusern strafbewehrtes Verhalten zu unterstellen“, sagte Präsident Alfred Dänzer der „Süddeutschen Zeitung.“
Lauterbach kritisierte: „Bahr springt viel zu kurz.“ Ein weitergehender SPD-Antrag gegen Korruption im Gesundheitswesen wird an diesem Mittwoch im Bundestag öffentlich erörtert. SPD-Justiz- und Gesundheitsexperte Edgar Franke sagte: „Zwischen 5 und 18 Milliarden Euro pro Jahr gehen der Versichertengemeinschaft durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen jedes Jahr verloren.“
Die SPD will einen neuen Straftatbestand schaffen. Wenn ein niedergelassener Arzt Korruptionshandlungen begehe, gelte dies heute nicht als Straftat. „In viele Fällen bekommen niedergelassene Ärzte Vergütungen von einem Pharma- oder Medizintechnikhersteller, wenn sie deren Produkte verschreiben“, sagte Franke.
Seit Monaten wartet die Branche mit Spannung auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe zu dieser Frage. Der Große Senat für Strafsachen will klären, ob Ärzte als Amtsträger einzustufen sind.
Der niedersächsische Oberstaatsanwalt Marcus Röske, der das Verfahren mit angestoßen hatte, hatte bereits im Oktober der dpa gesagt: „Stuft der BGH die Ärzte als Amtsträger ein, machen sie sich bei der Annahme von unerlaubten Zuwendungen strafbar, auch wenn diese Zuwendungen nicht nachweisbar zu einer Beeinflussung des Verordnungsverhaltens geführt haben.“
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, sagte, die KBV und die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen hätten ein großes Interesse, jeden Fall von Betrug zu entlarven. Sie arbeiteten eng mit den Staatsanwaltschaften zusammen. „Das vorhandene Instrumentarium reicht aus“, sagte Köhler der dpa. Das zeige die hohe Zahl von 500 Millionen Abrechnungen jährlich, die bis auf Ausnahmen absolut korrekt seien.
Transparentere Regeln forderte Köhler für die derzeit rund 300 sogenannten Anwendungsbeobachtungen, bei denen Ärzte im Auftrag von Pharmaherstellern neue Medikamente untersuchten. „So sollte die Pharmaindustrie die Ergebnisse der Studien veröffentlichen müssen.“
Laut dem SPD-Antrag sollen die Länder zudem mehr besonders qualifizierte Staatsanwaltschaften und Ermittlungsgruppen bei der Polizei einrichten. Sie könnten Korruption im Gesundheitswesen besser verfolgen.