Interview Polizeigewerkschafter Malchow: „Strafmaß bei Messerangriff muss höher sein“

Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Zahl der Messerangriffe in Deutschland zugenommen. Was tun?

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow.

Foto: Christian Charisius

Berlin/Bochum. Nach der Messerattacke eines 16-Jährigen auf einen 15 Jahre alten Jugendlichen in Bochum ermitteln die Behörden weiter die Hintergründe. Der mutmaßliche Täter und sein Opfer seien Schüler derselben Bochumer Gesamtschule gewesen, sagte ein Staatsanwalt gestern auf Anfrage. Die beiden Teenager waren am Freitag in einer Gruppe von 20 bis 25 Jugendlichen in einem Park aneinandergeraten. Der Tatverdächtige Syrer kam laut Polizeimitteilung in eine Jugendstrafanstalt.

Die Messerattacke ist kein Einzelfall. Deutschlandweit hatten zuletzt tödliche Angriffe von Jugendlichen für Erschütterung gesorgt. So endete im Februar in Dortmund ein Streit unter Teenagern tödlich, eine 15-Jährige wurde erstochen. Ende Januar war in einer Gesamtschule in Lünen ein 14-Jähriger erstochen worden — laut Polizei und Staatsanwaltschaft von einem 15-jährigen Mitschüler.

Am Samstag wurde eine 24-Jährige in Großburgwedel bei Hannover verletzt, mutmaßlich von einem 17-jährigen Syrer. Sie schwebt nach wie vor in Lebensgefahr.

Am Montag dann wurde eine mit Messern bewaffnete Frau im Düsseldorfer Hauptbahnhof festgenommen. Die 20-Jährige sei zuvor mit der Ankündigung, Polizisten anzugreifen, aus einem Krankenhaus verschwunden, erklärte die Bundespolizei.

Gibt es also eine Zunahme von Messerattacken in Deutschland? Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Zahl deutlich zugenommen. Auch wenn es dazu keine offiziellen Statistiken gibt. Die Beamten würden von ihren Einsätzen berichten, so GdP-Chef Oliver Malchow im Gespräch mit unserer Redaktion. Zuletzt hatte NRW-Innenminister Herbert Reul angekündigt, dass Messerattacken auf zivile Opfer in NRW künftig in der Kriminalstatistik anders als bislang eigens erfasst werden.

Herr Malchow, Berichte über Messerattacken häufen sich. Gibt es tatsächlich eine Zunahme?

Oliver Malchow: Unsere Kollegen schildern uns, dass es gefühlt eine Zunahme von Messerangriffen gibt. Eine bundesweite Erhebung dazu liegt aber nicht vor. Deswegen fordern wir, Angriffe mit Messern in der Kriminalstatistik zu erfassen. Bislang gilt das nur für Schusswaffen.

Aber eine bloße Erfassung verhindert keine Taten.

Malchow: Das stimmt. Aber eine Verschärfung des Waffenrechts, die manch einer ins Gespräch gebracht hat, bringt auch nichts. Denn Messer stehen in jedem Haushalt zur Verfügung — vom Brotmesser bis zum Teppichmesser. Wo will man da anfangen und aufhören? Ein Verbot hilft nicht weiter.

Was schlagen Sie vor?

Malchow: Der Angriff mit Messern muss bei Gerichtsverhandlungen anders bewertet werden, und zwar nicht mehr als schwere Körperverletzung, sondern eher im Bereich des Totschlags. Wer jemanden mit einem Messer attackiert, nimmt schließlich billigend in Kauf, dass das Opfer stirbt. Es muss klarer werden, wie gefährlich ein solcher Angriff ist. Entsprechend muss das Strafmaß dann auch höher ausfallen. Davon versprechen wir uns eine abschreckende Wirkung.

Zücken vor allem Jugendliche immer öfter ein Messer?

Malchow: Es sind natürlich jüngere Täter, aber nicht unbedingt nur Jugendliche. Auch kann ich nicht bestätigen, dass immer mehr Kinder und Jugendliche Messer mit in die Schule nehmen. Das ist eher die Ausnahme. Was wir feststellen, ist, dass auch bei häuslicher Gewalt öfter zum Messer gegriffen wird. Das verwundert nicht, weil in jedem Haushalt welche herumliegen. Das sind dann meist ältere Täter.

Gibt es einen Anstieg bei den ausländischen Tätern?

Malchow: Das kann man so nicht sagen. Ich hab dazu keine Erkenntnisse. Grundsätzlich beobachten wir, dass das Aggressionspotenzial bei Jugendlichen insgesamt größer geworden ist.

Was raten Sie den Polizisten?

Malchow: Das Thema Eigensicherung ist besonders wichtig. Inzwischen muss man als Polizeibeamter fast schon bei jedem Einsatz damit rechnen, in irgendeiner Form angegriffen zu werden. Messer können verdeckt getragen werden, insofern ist extreme Vorsicht geboten.