Probleme beim wählen und zählen - Niedersachsens Piraten in Seenot
Als Niedersachsens Piraten erklärten, wegen eines Formfehlers ihre Kandidatenliste für die Landtagswahl 2013 noch mal wählen zu müssen, wurden sie belächelt. Nach der zweiten Panne am Wochenende wachsen Zweifel an ihrer Politikfähigkeit.
Hannover/Hildesheim. „Klarmachen zum ändern!“ - dieses Ziel hatten die niedersächsischen Piraten während des Landesparteitags in Wolfenbüttel in großen Lettern vor Augen. Sie wollen nach der Wahl im Januar den Landtag in Hannover entern - wie es die Parteifreunde in Berlin, dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein vorgemacht haben.
Sechs Monate vor dem Urnengang drohen Niedersachsens Piraten aber ihren Kurs wegen parteiinterner Querelen aus den Augen zu verlieren. Kritiker sprechen bereits von Seenot und bezweifeln gar die generelle Politikfähigkeit der jungen Partei. „Basisdemokratie kann zäh und sogar schmerzhaft sein - das haben wir an diesem Wochenende gelernt“, sagt Landeschef Andreas Neugebauer am Montag in Hannover.
Niedersachsens oberster Pirat klingt erschöpft. 26 Stunden Parteitag stecken ihm in den Knochen, 26 Stunden mit kräftezehrenden Debatten über Formalien. „Das tut weh, das ist schwierig und für alle anstrengend“, so Neugebauer. Die Anstrengung hat sich nicht gelohnt: Als am späten Sonntagabend um 23.18 Uhr der Parteitag offiziell beendet wird, gibt es immer noch keine gültige Kandidatenliste für die Landtagswahl.
Schon im April hatten die Piraten vergeblich versucht, ihre Landesliste zu aufzustellen. Damals hatten EU-Bürger ihre Stimmen abgegeben, die gar nicht wahlberechtigt waren. Jetzt votierten zwei Jugendliche unter 18 Jahren. Die Wahl musste wiederholt werden, am Ende lief die Zeit davon. Zwar gibt es 30 Kandidaten - in welcher Reihenfolge sie antreten, soll aber erst in einem dritten Anlauf am 25. und 26. August in Delmenhorst bestimmt werden.
Kein Anlass zur Panik, heißt es dazu bei der Bundespartei in Berlin. Bis zur Landtagswahl 20. Januar 2013 bleibe noch genug Zeit für die Vorbereitungen. Sprecherin Anita Möllering findet aber auch: „Es ist schade, dass es die Niedersachsen an diesem Wochenende nicht geschafft haben.“ Sicherlich hätte man die Pannen vermeiden können
. Für Landeschef Neugebauer liegt eine Ursache in der zeitintensiven Basisdemokratie der Piraten. Wer seine Partei geschwächt sehe, habe ein „merkwürdiges Demokratieverständnis“. Für ihn sind Abstimmungen im Bundestag wesentlich undemokratischer, „wenn Gesetze in 57 Sekunden beschlossen werden, ohne dass sie sich einer durchgelesen hat.“
Politikwissenschaftler Wichard Woyke von der Universität Münster spricht von „typischen Anfängerfehler“. Zudem habe die Partei, die jüngst ihren fünften Geburtstag feierte, aufgrund ihrer offenen Ausrichtung ein Problem mit Mitgliedern. „Da kommen auch Leute mit rein, die sich nicht immer den gemeinsamen Zielen unterwerfen wollen“, vermutet Woyke. Jetzt müssten die Piraten ihre Strukturen professionalisieren - „nur dann verliert sie in den Augen vieler Anhänger ihren Markenkern“.