Protest gegen Fremdenhass: Bürger solidarisieren sich

Berlin/Dresden (dpa) - Eine Woche nach den rechtsextremen Krawallen im sächsischen Heidenau haben mehrere tausend Menschen in ganz Deutschland für Solidarität mit Flüchtlingen demonstriert.

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Allein in Dresden folgten am Samstag rund 5000 Bürger dem Aufruf eines linken Bündnisses und protestierten auch gegen die Flüchtlingspolitik der Landesregierung. In vielen anderen Städten stellten sich Bürger Aufmärschen rechter Gruppen entgegen. Angesichts der Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt warnten die Ost-Ministerpräsidenten davor, ihre Länder an den Pranger zu stellen.

Man sollte sich davor hüten, „hier vorschnell von einem ostdeutschen Phänomen zu sprechen“, sagte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) der „Welt am Sonntag“. Sein Thüringer Kollege Bodo Ramelow (Linke) wies darauf hin, dass zurzeit bundesweit Nacht für Nacht Flüchtlingsunterkünfte in Flammen aufgingen. „Und die Hotspots der braunen Gewalt liegen in allen Himmelsrichtungen verteilt.“ Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verlangte bundesweite Anstrengungen gegen rechte Gewalt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Sonntagabend mit den Spitzen von CDU und CSU im Kanzleramt zusammenkommen, um den weiteren Kurs abzustecken. Im Mittelpunkt des Treffens sollte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Lage der Flüchtlinge in Deutschland stehen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und seine Kollegen aus Frankreich und Großbritannien verlangten bei einem Treffen in Paris ein schnelles EU-Sondertreffen zur Asylpolitik.

Altkanzler Gerhard Schröder forderte eine „Agenda 2020“ für eine moderne Zuwanderungspolitik. In Deutschland werde die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stark schrumpfen, schrieb der SPD-Politiker in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“. „Wenn wir auch in Zukunft ein sozial und wirtschaftlich starkes Land sein wollen, dann brauchen wir Zuwanderung.“

Das Bundesverfassungsgericht kippte am Samstag das umstrittene Versammlungsverbot für die sächsische Kleinstadt Heidenau, in der es vor einer Woche schwere Ausschreitungen von Rechtsextremen vor einer Flüchtlingsunterkunft gegeben hatte. Das zuständige Landratsamt hatte das Verbot für das gesamte Wochenende mit einem polizeilichen Notstand begründet. Die Karlsruher Richter verwarfen die Argumentation in ihrer einstweiligen Anordnung, die auf Antrag eines Jurastudenten erging.

Nach Wegfall des Versammlungsverbots kamen am Samstagabend rund 400 Menschen in Heidenau zu einer spontanen Solidaritätskundgebung zusammen. Mit Flüchtlingen tanzten und feierten sie auf der Straße vor deren Unterkunft. Die Polizei war mit starken Kräften im Einsatz. Gegner der Unterkunft oder rechte Demonstranten waren in der Umgebung nicht zu sehen. Zwischenfälle gab es nicht.

Bereits am Nachmittag waren rund 5000 Menschen dem Aufruf des Bündnisses Dresden Nazifrei gefolgt und hatten in der Landeshauptstadt für Toleranz demonstriert. Auch in anderen Städten wie Rosenheim, Fürth, Hamburg oder Goslar gingen Menschen auf die Straßen, um ein Zeichen für Weltoffenheit zu setzen.

Vielerorts wandten sie sich gegen Kundgebungen rechter Gruppen. In Wusterhausen, Wittstock und Rheinsberg in Brandenburg stellten sich Bürger Neonazi-Aufmärschen gegen Flüchtlinge entgegen.

In der „Bild am Sonntag“ setzten sich 100 Prominente aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Sport für ein offenes Deutschland und gegen Fremdenhass ein.

Gegen die drei mutmaßlichen Brandstifter von Salzhemmendorf erging inzwischen Haftbefehl. Ihnen wird laut Staatsanwaltschaft gemeinschaftlicher versuchter Mord und schwere Brandstiftung vorgeworfen. Die beiden Männer im Alter von 24 und 30 Jahren sowie eine 23-jährige Frau stehen im Verdacht, in der Nacht zum Freitag einen brennender Molotow-Cocktail durch die Fensterscheibe einer Flüchtlingsunterkunft in dem kleinen Ort bei Hameln geschleudert zu haben. Eine Frau aus Simbabwe und ihre drei Kinder, die im Nebenraum schliefen, blieben unverletzt.