Rock gegen Rechts: Die Toten Hosen in Jamel

Jamel (dpa) - „You'll never walk alone“: Der weltweit zur Fußball-Hymne gewordene Musical-Song über das Wiederaufstehen und Weiterkämpfen, allen Widrigkeiten zum Trotz, schallt am späten Samstagabend durch die Nacht von Jamel.

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Tausend Kehlen nehmen den von Campino, dem Frontmann der Rockband Die Toten Hosen, angestimmten Refrain auf und geben dem Lied so eine weitere Bedeutung: Im Kampf gegen rechten Terror und Gewalt stehen Menschen wie das Künstlerpaar Birgit und Horst Lohmeyer nicht allein. Seit 2004 leben sie in dem westmecklenburgischen Dörfchen am Ende einer Sackgasse und sehen sich seither Anfeindungen der im Ort lebenden Neonazis ausgesetzt.

Erst Mitte August wurde die Scheune auf ihrem Forsthof angezündet und brannte vollständig nieder. Die Tätersuche verlief bislang ohne Erfolg, die Ermittler vermuten aber einen rechtsextremen Hintergrund. Die über Jahre hinweg im Dunstkreis eines verurteilten Neonazis zusammengezogenen Rechtsextremisten würden den Ort gern zu einer „national befreiten Zone“ ausrufen. Inmitten des Dorfes tun sie das mit einem Bild im NS-Stil und einem Spruch an einer Mauer schon einmal kund.

Doch allen Drohungen und Anschlägen zum Trotz weichen die aus Hamburg zugezogenen Lohmeyers nicht. „Für uns stand noch in der Brandnacht fest, dass es auch in diesem Jahr den Forstrock als klares Zeichen gegen die Intoleranz geben wird. Jetzt erst recht!“ Damit macht die Autorin Birgit Lohmeyer deutlich, dass sich das Paar durch rechten Terror nicht vertreiben lassen will. 2007 hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Musiker Horst Lohmeyer, die Festival-Idee „Jamel rockt den Förster“ erstmals verwirklicht. Seither holen beide immer im August Rock-, Punk- und Folk-Bands zum „Forstrock — Für eine bunte Welt“ ins Dorf.

Zur neunten Auflage kamen - für die Besucher überraschend - auch Die Toten Hosen aus Düsseldorf angereist. Eine spontane Idee, wie der für seine klare politische Haltung bekannte Sänger Campino erzählt. „Wir haben die Lohmeyers angerufen und gefragt: Meint Ihr, Ihr habt noch einen kleinen Platz für uns, dass wir ein bisschen bei Euch mitfeiern dürfen“, berichtet er am Abend unter dem Jubel der Fans. Die Geschichte der beiden aufrechten Kämpfer gegen Intoleranz und Fremdenhass habe ihn und seine Musiker „wahnsinnig berührt“. „Nachdem ich davon gelesen hatte, habe ich mir auf den Nachttisch geschrieben: Warum spielen wir eigentlich nicht in Jamel?“

Dann sei es rasch zum ersten Kontakt und der Verabredung gekommen. „Wir wollten uns nicht reindrängen. Wir wollten aber unsere Hochachtung und unseren Respekt ausdrücken, dass diese Leute seit so vielen Jahren diesen Scheiß hier durchziehen und durchhalten. Und insofern geht es natürlich auch um all die Lohmeyers, die in irgendwelchen Dörfern und Städten hängen, die nicht von den Medien besucht werden, und die trotzdem die Scheißstellung halten. Denn das ist das, was man Zivilcourage nennt“, ruft der Musiker ins Publikum.

Die Toten Hosen spielen viele ihrer bekanntesten Songs. Und die passen: „Madelaine (aus Lüdenscheid)“ zum Beispiel. Ein Lied, in dem ein junger Mann ein Mädchen begehrt, vorher aber wissen will: „Gibt es irgendwelche Nazis in Deinem Bekanntenkreis?“. Oder: „Sascha“. Ein Lied, das, wie Campino ausdrücklich erwähnt, auch für die Bewohner der anderen Straßenseite in Jamel gedacht ist. Es handelt von einem Arbeitslosen mit rechter Gesinnung, der aus der Geschichte nichts lernen will. Und dann schließlich: „You'll never walk alone“.

Die Lohmeyers stehen nicht allein. „Es gab nach dem Brandanschlag eine Welle der Solidarität, viele Menschen haben geschrieben und Geld gespendet“, berichtet Birgit Lohmeyer. Sie und ihr Mann Horst erhalten am Samstagabend den Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und damit eine weitere Ehrung für ihr Engagement. Der Auftritt der Toten Hosen sei eine besondere Zugabe, sagt Birgit Lohmeyer: „Seit Jahren haben wir uns gewünscht, dass auch eine solch namhafte Band mal kommt und so noch mehr Aufmerksamkeit für die Situation in diesem Dorf schafft.“