Proteste bei Auszeichnung Cohn-Bendits mit Theodor-Heuss-Preis

Stuttgart (dpa) - Der umstrittene Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit nutzt die Verleihung des Theodor-Heuss-Preises in Stuttgart zu seiner Verteidigung. Draußen schlägt ihm und den Gästen der Ehrung blanke Wut entgegen

Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit (68) hat am Samstag den Theodor-Heuss-Preis erhalten - begleitet von heftiger Kritik an seinen früheren Äußerungen über Intimitäten mit Kindern. In seiner Dankesrede im Stuttgarter Neuen Schloss distanzierte der langjährige Europa-Abgeordnete sich von seinen Aussagen in den 70er und 80er Jahren und betonte, er habe sich nie an Kindern vergriffen. „Kritisiert mich für das, was ich geschrieben habe, bis zu meinem Tod - aber jagt mich nicht für etwas, was ich nicht getan habe.“

Seine damaligen Äußerungen - etwa über erotische Spiele mit Kindern - seien eine „unerträgliche Provokation“ und hätten „so nicht geschrieben werden dürfen“. Cohn-Bendit ordnete sie ein in den historischen Kontext der 68er Bewegung, die von Tabu-Brüchen geprägt gewesen sei. Ausgelöst hatte die Debatte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, der seine Festrede für Cohn-Bendit abgesagt hatte. Er wolle den Eindruck vermeiden, das Gericht billige Aussagen wie die von Cohn-Bendit.

Angelehnt an das Jahres-Motto der Stiftung „Neue Wege in der Demokratie“ sagte der Vorsitzende Ludwig Theodor Heuss - ein Enkel des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss (FDP) -, wer neue Wege suche, gehe gelegentlich auch in die Irre. Dies gelte für die beanstandeten, auch aus seiner Sicht abstoßenden Textpassagen in Cohn-Bendits Schrift von 1975. Doch sei kein Straftatbestand erfüllt gewesen, und Eltern hätten Cohn-Bendit in Schutz genommen. Für eine „Hetzjagd“ bestehe kein Grund.

Der Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, Roger de Weck, lobte Cohn-Bendit für seine Verdienste um den Ausbau einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Überdies sei der Sohn eines Deutschen und einer französischen Mutter Brückenbauer zwischen den Nationen, sagte der Publizist, der anstelle von Voßkuhle die Laudatio hielt. Cohn-Bendit sei seit 1994 bis heute abwechselnd für die deutschen und die französischen Grünen ins Europaparlament gewählt worden. „Das ist einzigartig. Davor kann man sich verneigen.“

In seinem Grußwort warb Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für Verzeihen, auch wenn die Äußerungen seines Parteifreundes „höchst prekär“ und „unakzeptabel“ seien: „Vergebung ist in der Demokratie elementar, es macht gerade ihre Stärke aus.“ Sie biete die Chance, wieder neu anfangen zu können. Die Demokratie habe auch ihm persönlich nach „linksradikalen Verirrungen meiner Studentenzeit“ die Chance auf einen Neuanfang gewährt, sagte der Regierungschef.

Vertreter eines Opfer-Verbandes und die Junge Union (JU) kritisierten vor der Veranstaltung die Ehrung des 68-jährigen Cohn-Bendit. Mit „Schämt Euch“-Rufen empfingen etwa 70 Demonstranten die Gäste der Veranstaltung, die von CDU und FDP boykottiert wurde. Beide Landtagsparteien hatten die unabhängige Stiftung aufgefordert, in diesem Jahr die Ehrung abzusagen, und an Kretschmann appelliert, auf das Grußwort zu verzichten. CDU-Fraktionschef Peter Hauk nahm ebenfalls an der Protestaktion teil. Die Veranstaltung leiste der Verharmlosung von Missbrauch Vorschub und verletzte die Opfer.