Querschüsse im Koalitionspoker

SPD-Spitze ist verärgert über Alleingänge von Genossen. Bei der Union begehrt der Wirtschaftsflügel auf.

Berlin. Ob bei Steuern, Mindestlohn oder Investitionen in Bildung und Infrastruktur, im Koalitionspoker scheint nun die Zeit der Kompromisse angebrochen zu sein. Genau deshalb rumort es auch hinter den Kulissen.

Die SPD leidet unter den Alleingängen „aus der zweiten Reihe“, wie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schimpft. Und in der Union sorgt sich der wichtige Wirtschaftsflügel lauthals um die Ausrichtung der Partei in einer künftigen Koalition.

Bei der SPD ist man sauer. Das Feuerwerk an Forderungen und Bewertungen, welches einige Genossen mit Blick auf eine künftige Regierungsbeteiligung abbrennen, nervt die Parteiführung gehörig.

Allen voran und immer wieder ist es Johannes Kahrs, Chef des konservativen „Seeheimer Kreises“, der sich zu Wort meldet: Eine Koalition gebe es „nur auf Augenhöhe und nur, wenn wir das Finanzministerium bekommen“.

Dieses Ressort sei das einzige mit Vetorecht gegenüber dem Kanzleramt, „deswegen ist es für uns nicht verhandelbar“, ließ der Vertreter des SPD-Flügels wissen. Basta.

Die Parteispitze zeigte sich am Montag verärgert über die anhaltenden Querschüsse. „Johannes Kahrs spricht nicht für die SPD. Im Zweifel spricht er nur für sich selbst“, betonte Generalsekretärin Andrea Nahles.

Je weiter die Sondierungen fortschreiten, desto störender empfindet die Führung solche Äußerungen. Denn dadurch werde der Eindruck erweckt, der SPD gehe es nur noch um Posten und nicht um inhaltliche Festlegungen. Das, so wird kolportiert, sei wiederum eine schlechte Botschaft an die eigene Basis, die einen möglichen Koalitionsvertrag noch absegnen müsse.

Demgegenüber plagen die Union nicht minder heikle Probleme. Bei ihr leidet der einst so mächtige Wirtschaftsflügel. Er fühlt sich untergebuttert. Die Sozialpolitiker hätten die Oberhand gewonnen, wird gemeckert. Deshalb werde es in einem Koalitionsvertrag mit der SPD wohl auch keine dringend erforderlichen Festlegungen zur Energiewende oder zur Eurokrise geben. Dafür aber „zur Garantierente oder dem Mindestlohn“.

Obwohl jeder wisse, warnt der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU, Josef Schlarmann, dass die Energiewende inzwischen „das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands“ sei.

Hinter solchen Sätzen verbirgt sich Frust. Denn nach Ansicht Schlarmanns spielt Wirtschaftspolitik in der Union „praktisch keine Rolle mehr“. Einst sei sie Markenkern gewesen. Wer nun aber in der Partei Karriere machen wolle, „sollte sich nicht um Wirtschaftspolitik kümmern“.