Regionalkonferenzen der SPD Neue Parteivorsitzende im Minutentakt

Berlin · Die Regionalkonferenzen der SPD geben wenig Aufschluss über die Chancen der Bewerber – eine Zwischenbilanz.

Am Samstag hat eine Regionalkonferenz in Filderstadt (Baden-Württemberg) stattgefunden.

Foto: dpa/Marijan Murat

Die Kandidatenkür der SPD für ihre neuen Parteivorsitzenden steuert auf die Halbzeit zu. Zehn von insgesamt 23 Regionalkonferenzen sind absolviert, auf denen sich jetzt noch sieben Kandidatenpaare und ein Einzelbewerber der Basis vorstellen. Wie ist es bisher gelaufen?

Die Veranstaltungen

Im Durchschnitt kamen etwa 700 Interessierte, meist Mitglieder. Jeweils rund 250 schauten im Internet zu. Das Format ist immer gleich: Erst stellen sich die Paare fünf Minuten lang vor, dann bekommen sie ziemlich gleiche inhaltliche Fragen gestellt, für deren Beantwortung jedes Paar nur eine Minute Zeit hat. Anschließend ist das Publikum dran. Die Fragen dürfen sich nur an ein Paar oder den Einzelbewerber richten, die Antworten maximal eine Minute dauern. Nachfragen sind nicht möglich.

Es wird darauf geachtet, dass alle gleich oft dran kommen, so dass auch die vorbereiteten Fragen, die die Jungsozialisten in Umlauf gegeben haben, wenig bewirken können. Das Ganze wirkt zwar flott, Kontroversen entstehen so freilich nicht. Auch sind direkte Vergleiche nur schwer möglich. Alle Kandidaten haben außerdem inzwischen gelernt, sich ihren Beifall im Saal zu holen. Einige wiederholen dafür die immer gleichen Sprüche. Der Eindruck: Hat man eine Veranstaltung gesehen, hat man alle gesehen.

Die Kandidaten

Ein echtes Favoritenpaar ist nicht erkennbar. Auffällig ist, dass das Paar Hilde Mattheis und Dierk Hirschel am wenigsten Fragen gestellt bekommt und auch sonst am blassesten wirkt. Alle Paare bemühen sich sehr um ein harmonisches Auftreten; oft lassen die Männer den Frauen bei den Antworten den Vortritt.

Ralf Stegner und Gesine Schwan sind die einzigen, die sich schon auf offener Bühne widersprachen. Und zwar in Bremen, als Stegner vehement für einen Austritt aus der Großen Koalition warb und Schwan entgegnete, dazu müsse man wissen, was hinterher komme. Stegner ist der beste Saalredner für sozialdemokratisches Publikum, wie regelmäßig der Beifall bei den Schlussstatements zeigt.

Das Paar Michael Roth und Christina Kampmann zelebriert, dass sie die jüngsten Bewerber sind. Einmal traten die beiden in modischen Europa-Kapuzenpullis auf.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken haben seit neuestem die offizielle Unterstützung der Jungsozialisten. Sie und das Duo Boris Pistorius und Petra Köpping geben sich als bodenständig-ehrliche Basisvertreter. Beide Paare kommen sehr sympathisch rüber.

Das Paar Olaf Scholz und Klara Geywitz steht dem allerdings kaum nach. Scholz, dem mitunter eine kritische Stimmung entgegenschlägt, betont oft seine Herkunft aus kleinem Hause und seine sozialen Leistungen als Hamburger Bürgermeister und Arbeitsminister.

Karl Lauterbach und Nina Scheer fallen in der Wirkung etwas auseinander. Scheer redet fast nur über Klimaschutz und spricht hastig, was unsicher wirkt. Lauterbach ist thematisch breiter aufgestellt und versteht es, mit einfachen Sätzen Saalpunkte zu gewinnen. Der Einzelbewerber Karl-Heinz Brunner gilt als chancenlos und wird wenig gefragt.

Die Themen

Es gibt nicht das eine, alles beherrschende Thema. Die Publikumsfragen reichen von grundsätzlichen Einstellungen bis zu Spezialfragen. Was er denn tun wolle, um mehr Aufladestationen für elektrische Behindertenrollstühle zu schaffen, musste Scholz zum Beispiel einmal beantworten.

Auffällig ist, dass Distanz zur GroKo häufig beklatscht wird. Lauterbach/Scheer setzen darauf am stärksten, indem sie den sofortigen Ausstieg aus der Koalition als ihr Kernanliegen nach vorne stellen. Die anderen sind da mit Ausnahme von Mattheis/Hirschel weniger eindeutig. Roth verspricht immerhin, dass er als SPD-Vorsitzender nicht mehr der Regierung angehören will – er ist jetzt Staatsminister im Auswärtigen Amt. Zweites Generalthema ist die Gerechtigkeit, allen voran die Verteilungs- und Steuergerechtigkeit, etwa die Vermögenssteuer. Walter-Borjans, der als ehemaliger Finanzminister in NRW die Schweizer Steuer-CDs aufkaufte, macht hier etwas mehr Punkte als die anderen. Klimaschutz haben alle im Programm. Ebenso Frauenrechte und Kampf gegen Rechts. Aussagen dazu kommen im Publikum immer gut an.

Der weitere Plan

Noch 13 Regionalkonferenzen wird es bis zum 12. Oktober geben; dann findet die letzte im Truderinger Festsaal bei München statt. Anschließend dürfen die 430.000 SPD-Mitglieder abstimmen, wer sie künftig führen soll. Rund 400.000 von ihnen werden die Kandidaten trotz des Marathons bis dahin nicht live gesehen haben. Sie werden wohl nach Flügelzugehörigkeit (Vorteil Walter-Borjans) und Prominenz der Bewerber (Vorteil Scholz) entscheiden. Und nach Gefühl. Egal, was auf den Regionalkonferenzen gesagt wurde.