Rekordreserve der Krankenversicherung - gehen Beitragszahler leer aus?
Berlin (dpa) - Aus der wohl historisch einmaligen Reserve der Krankenversicherung von 19,5 Milliarden Euro dürfte die Beitragszahler wohl nichts zurückbekommen. Gesundheitsminister Bahr (FDP) drängte die Kassenoffiziell zur Prüfung einer Prämienausschüttung.
Die Versicherungen lehnen jedoch prompt ab.
Linke und Teile der FDP wollen Patienten durch eine Abschaffung der Praxisgebühr entlasten. In der Bundesregierung ist nach Angaben aus Koalitionskreisen umstritten, ob der Bund 2013 weniger an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) überweisen soll als geplant.
Die einzelnen Kassen erzielten 2011 einen Überschuss von rund 4 Milliarden Euro, wie die vorläufigen Ergebnisse zeigen, die das Bundesgesundheitsministerium in Berlin mitteilte. Das ist deutlich mehr als bei den jüngsten Angaben vom Dezember angenommen.
Die Gesamtreserven der GKV sind verteilt auf die Kassen und den Gesundheitsfonds, über den die Beitrags- und Steuermilliarden gesammelt und verteilt werden. Das Finanzpolster bei den Kassen gibt das Ministerium mit rund 10 Milliarden Euro Ende 2011 an. Der Fonds habe eine Liquiditätsreserve von rund 9,5 Milliarden Euro.
Insgesamt gaben die Kassen 2011 rund 180 Milliarden Euro aus, davon 61 für Kliniken, 34 für Ärzte und 31 für Arzneimittel. Vor allem die schwarz-gelbe Arzneireform führte zu einem nur mäßigen Ausgabenplus von 2,6 Prozent. Die AOKen und Ersatzkassen verbuchten mit 1,3 und 1,8 Milliarden Euro die höchsten Überschüsse.
Etliche Kassen verfügen laut Ministerium jetzt über Mittel, die in dieser Höhe nicht zur Absicherung gegen Risiken gebraucht würden. „Diese Krankenkassen sind gefordert, intensiv zu prüfen, ob vorhandene Prämienpotenziale an ihre Mitglieder weiterzugeben sind“, mahnt das Bahr-Ressort in seiner Mitteilung.
Aber den Anteil im Gesundheitsfonds, der verfügbar sei, hält das Bahr-Ressort für einen sinnvollen Puffer. Denn es gebe Konjunktur-Risiken. Es handelt sich um 4,4 Milliarden Euro aus dem Fonds, die nicht unter anderem als Pflichtreserve gebunden sind.
Der GKV-Spitzenverband wies Bahrs Forderung zurück. „Jetzt, wo die finanzielle Situation stabil ist, müssen die Rücklagen für schlechte Zeiten aufgebaut und gesichert werden“, sagte Vizechef Johann-Magnus von Stackelberg. Der Vier-Milliarden-Überschuss entspreche den Ausgaben von nur acht Tagen. „Wir warnen dringend davor, nun eine Kürzungsdebatte vom Zaun zu brechen.“
Die besonders gut dastehende Techniker Krankenkasse will trotz Überschusses von fast einer Milliarde Euro und Rücklagen von weiteren 1,7 Milliarden ihren Mitgliedern laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ nichts zurückzahlen. Für die Barmer GEK sagte deren Chef Christoph Straub den „Ruhr Nachrichten“: „Was hilft es uns und den Versicherten, heute eine verhältnismäßig geringe Prämie auszuschütten und morgen wieder mehr Geld einzufordern, weil die Leistungsausgaben steigen?“
Hinter den Kulissen ringen laut Koalitionskreisen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Gesundheitsminister Bahr über die Steuerzuschüsse des Bundes an den Fonds, die 2013 erneut 14 Milliarden Euro betragen sollen. Bahr sagte der Nachrichtenagentur dpa, das Gesundheitswesen solle solide finanziert bleiben. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) sagte der dpa: „Wir brauchen das Geld.“
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast unterstützte die Position von Unions-Haushaltspolitiker. „Der Gesundheitsfonds darf nicht zur Wahlkampfkasse der FDP mutieren, daher ist eine einmalige Reduktion des Steuerzuschusses denkbar“, sagte sie der dpa. Davor warnte die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher: Dann drohten Zusatzbeiträge, sagte sie.
Dies könnte passieren, wenn die GKV-Einnahmen wieder unten die Ausgaben sinken. Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) sagte der dpa, dies drohe 2013. „Ab 2014 sind auch alle Puffer aufgebraucht.“
Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) und der Linke-Chef Klaus Ernst forderten angesichts der aktuell guten Zahlen dennoch, die Versicherten jetzt zu entlasten - per sofortiger Abschaffung der 10-Euro-Praxisgebühr beim Arzt.