Analyse Krankenversicherung: Gesundheitsminister Spahn setzt auf spürbare Entlastung der Beitragszahler
Es ist ein sozialpolitisches Signal: Die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung kehrt 2019 zurück.
Berlin. Nach der Vorstellung eines Pflegesofortprogramms vor zwei Wochen hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch seinen zweiten großen politischen Aufschlag. Das Bundeskabinett verabschiedete einen Gesetzentwurf des CDU-Politikers, der ihm bei den Versicherten viel Sympathie eintragen dürfte. Kernpunkt ist die Rückkehr zur paritätischen Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Das bedeutet: Am bislang ausschließlich von den Arbeitnehmern und Rentnern finanzierten Zusatzbeitrag, der aktuell bei durchschnittlich 1,0 Prozent vom Monatsbrutto liegt, müssen sich die Arbeitgeber ab 1. Januar 2019 zur Hälfte beteiligen. Bei einem Verdienst von 3000 Euro bedeutet das für die Beschäftigten eine Beitragsentlastung von 15 Euro.
Diesen sozialpolitischen Erfolg heftet sich auch die SPD an die Fahne. Dabei war die Abkehr von der Beitragsparität vor 15 Jahren unter der damaligen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt beschlossen worden. Wegen der schlechten Wirtschaftslage sollten die Arbeitgeber entlastet werden. Heute floriert die Konjunktur.
Das Gesetz kommt auch den sogenannten Kleinselbstständigen zugute. Viele dieser Alleinunternehmer haben wegen ihrer geringen Einkünfte große Probleme, den Mindestbeitrag von monatlich 345 Euro für die gesetzliche Krankenversicherung zu stemmen. Dieser Betrag wird künftig auf 171 Euro mehr als halbiert.
Kräftig Federn lassen musste der Minister allerdings bei seiner Idee, vermögende Krankenkassen rasch zu Beitragssenkungen zu verpflichten. Das steht nicht im Koalitionsvertrag, und die SPD ging auch prompt auf Distanz. Geplant ist nun eine abgespeckte Lösung, die kaum Wirkung entfalten dürfte. Statt bereits 2019 soll die Verpflichtung erst ab dem 1. Januar 2020 greifen. Bis dahin soll zunächst der kasseninterne Finanzausgleich reformiert werden.
Hintergrund ist die Missbrauchsanfälligkeit des Systems. Über den geltenden Finanzausgleich, im Fachjargon „Morbi-RSA“ genannt, bekommen die Kassen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Ihre Höhe bemisst sich auch an bestimmten ärztlichen Diagnosen, die sich von den Kassen beeinflussen lassen. Je „kränker“ ein Versicherter auf dem Papier erscheint, desto mehr Geld fließt aus dem Fonds. Fraglich ist allerdings, ob die Zeit bis 2020 ausreicht, um das komplexe Problem zu beheben.
Doch selbst wenn das gelänge, stehen weitergehende Beitragssenkungen in den Sternen. Denn nach Spahns Vorlage bekommen die Kassen drei Jahre lang Zeit, ihre Reserven so abzubauen, dass sie den Umfang einer Monatsausgabe nicht mehr überschreiten. Zwar sitzen die Kassen derzeit auf einem Polster von 20 Milliarden Euro.
Das muss aber nicht so bleiben. Zuletzt hat sich das Wachstum der Überschüsse abgeschwächt. Außerdem steigen die Gesundheitskosten weiter, zumal in einer alternden Gesellschaft. Und die gute Konjunktur muss auch kein Dauerläufer bleiben. So könnten sich geringere Beiträge auf längere Sicht ohnehin erübrigen.
Zunächst muss sich Spahn aber des Zorns der Wirtschaft erwehren. Der Arbeitgeberverband BDA nannte die Rückkehr zur Beitragsparität „eine der größten sozialpolitischen Sünden dieser Bundesregierung“. Für Spahn ist solche Kritik nicht neu. Hat er sich doch in seiner bisherigen Amtszeit schon mit zahlreichen Gruppen angelegt.