Rent a Sozi? Illustre Runden mit Minister
SPD-Parteizeitung lässt sich Gesprächskreise mit hochrangigen Politikern von der Wirtschaft bezahlen.
Berlin. Es ist nicht so, dass der "Vorwärts", die Zeitung der SPD, nicht gern die Öffentlichkeit sucht. Am Dienstag aber waren die Verantwortlichen plötzlich abgetaucht. "Frontal 21", eine ZDF-Sendung, hatte berichtet, beim "Vorwärts" könne man gegen Geld sozialdemokratische Minister für illustre Gespräche buchen. Nun "Rent a Sozi" nach der "Rent a Rüttgers"-Äffäre des früheren CDU-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen?
Bei Rüttgers hatte die NRW-CDU im Jahr 2010 Firmen angeboten, für 20.000 Euro ein Einzelgespräch mit dem Regierungschef am Rande des Landesparteitages zu bekommen. Freilich kam es dazu nicht, die Sache flog rechtzeitig auf. Vorteil Rüttgers, Nachteil SPD. Denn bei ihr nahmen keine Geringeren als die Minister Heiko Maas (Justiz), Barbara Hendricks (Umwelt), Andrea Nahles (Soziales) und Manuela Schwesig (Familie) tatsächlich an so genannten "Vorwärts-Gesprächen" teil. Auch Fraktionschef Thomas Oppermann, der im Fall Rüttgers noch von einer "Bananenrepublik" gesprochen hatte.
Organisiert wurden die Veranstaltungen von einer Vorwärts-Tochtergesellschaft, der "Network Media GmbH" in Berlin. Sie dementierte den ZDF-Bericht nicht, stellte aber per schriftlicher Stellungnahme klar, dass es sich nicht um Einzelgespräche, sondern um Foren mit bis zu 20 Teilnehmern gehandelt habe. Es sei, so die Veranstalter gegenüber Frontal 21, bloß darum gegangen, die Veranstaltungen zu finanzieren. Preis: 3000 bis 7000 Euro. Meist fanden die Gespräche in guten Berliner Restaurants statt, das Geld ging für Speisen und Getränke drauf.
Worin aber lag der Vorteil für den Sponsor? Ein Treffen mit Justizminister Heiko Maas am 12. Oktober zum Thema "Datenschutz in der digitalen Welt" zum Beispiel wurde von der ING-DiBa finanziert. Es sei um ein Kennenlernen gegangen, eine Gegenleistung des Ministers erwarte man nicht, erklärten die Banker dem ZDF. Maas ließ verlauten, er habe nicht gewusst, wie die Veranstaltung zustande gekommen sei.
Auffällig ist, dass von allen Treffen nicht öffentlich berichtet wurde. Es waren also sehr intime Runden. Der "Vorwärts" habe wichtigen Entscheidern und Meinungsträgern damit eine politische Dialogmöglichkeit angeboten, hieß es bei den Sozialdemokraten zur Erklärung. Sponsor und Thema hätten nichts miteinander zu tun gehabt. Allerdings ist man in der SPD-Zentrale "ziemlich unglücklich" über die Praxis und wohl noch mehr über die Berichte. "Das wird sich nicht wiederholen", hieß es. Parteichef Sigmar Gabriel gehörte nicht zu den Gästen der Gesprächsreihe.
Dass die SPD finanziell irgendetwas davon gehabt habe, dementierten die Veranstalter. Die ganze Vorwärts-Gruppe habe 2012 bis 2015 keine Gewinne abgeführt. Und dass die beteiligten Politiker etwas von dem Geld behalten hätten, behauptet niemand. Dennoch bleibt ein Beigeschmack. Die Bundes-CDU forderte die SPD bereits auf, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären. "In der CDU-Bundesgeschäftsstelle gibt es keine entsprechende Praxis", hieß es auf Anfrage. Auch die FDP verneinte vergleichbare Aktivitäten.
Lobbycontrol, eine Vereinigung, die sich für mehr Transparenz einsetzt, verwies am Dienstag freilich darauf, dass die Parteien die Grauzone des Sponsoring bisher ungeregelt gelassen haben. Dieses Schlupfloch des Parteiengesetzes müsse endlich geschlossen werden, verlangte die Initiative.