Rente: "GroKo" stoppt Beitragssenkung im Eilverfahren

Wegen hoher Rücklagen müsste der Satz auf 18,3 Prozent sinken. Gesetz hebelt Automatismus aus.

Berlin. Die große Koalition ist erst zwei Tage im Amt, aber schon gegen ihr erstes Gesetz, das am Donnerstag im Bundestag auf den Weg gebrachten wurde, regt sich massive Kritik. Im Eiltempo wollen Union und SPD eine fällige Senkung des Rentenbeitrags zum 1. Januar 2014 verhindern, um ihre üppigen Wahlversprechen zu erfüllen. Die Opposition aus Linkspartei und Grünen sowie die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände kritisierten das Vorhaben.

Nach geltendem Recht wäre eine Senkung des Rentenbeitrags von 18,9 auf 18,3 Prozent fällig. Denn die Rücklage in der Rentenkasse ist zum Jahresende mit 31 Milliarden Euro deutlich höher, als es der zulässigen Grenze von 1,5 Monatsausgaben entspricht. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber würde sich daraus eine Entlastung von jeweils 2,9 Milliarden Euro ergeben. Wer monatlich 2000 Euro verdient, könnte 72 Euro im Jahr sparen. Bei einem Einkommen von 5000 Euro wären es 180 Euro.

Weil Schwarz-Rot aber schon 2014 die „Mütterrente“ und die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren einführen will, wird der geltende Mechanismus außer Kraft gesetzt. Allein die Verbesserungen für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden — sie bekommen künftige einen zusätzlichen Entgeltpunkt gutgeschrieben — kosten die Rentenkasse jährlich 6,5 Milliarden Euro zusätzlich.

Die SPD-Abgeordnete Katja Mast räumte ein, dass man bei der Finanzierung der Mütterrente mit der Union einen „kleinen Dissens“ habe. Ebenso wie Linke und Grüne hatten auch die Sozialdemokraten lange auf eine Bezahlung aus Steuermitteln gepocht, weil es sich um eine versicherungsfremde Leistung handelt. In einer Koalition seien aber Kompromisse notwendig, verteidigte Mast den Sinneswandel.

Nach dem Rentenversicherungsbericht, den die schwarz-gelbe Regierung noch Ende November verabschiedet hatte, sollte der auf eigentlich auf 18,3 Prozent zu reduzierende Rentenbeitrag immerhin bis einschließlich 2017 stabil bleiben. Die neue Regierung geht nun davon aus, dass wenigstens der Beitrag von 18,9 Prozent bis dahin hält. Allerdings sind dann die Reserven in der Rentenkasse wohl weitgehend aufgebraucht, der Beitrag müsste erhöht werden.

Die Rentenversicherung hat errechnet, dass der Beitrag, sollten alle Rentenvorhaben von Schwarz-Rot darüber finanziert werden, bis 2030 sogar auf 23 Prozent steigen würde. Das in erster Lesung behandelte Gesetz kann voraussichtlich erst im Februar 2014 endgültig beschlossen werden. Um den Beitrag durchgehend auf 18,9 Prozent zu halten, verfiel Schwarz-Rot auf einen ungewöhnlichen Verfahrenstrick. Die Neuregelung soll schon heute im Bundesanzeiger veröffentlicht und bereits ab Januar gelten — obwohl die zweite und dritte Lesung noch fehlt und das Gesetz daher noch gar nicht formell in Kraft sein wird.