Rösler erwartet von Parteitag Ja zu „Mindestlohn light“

Nürnberg (dpa) - Die FDP will auf ihrem Sonderparteitag in Nürnberg mehr soziales Profil gewinnen und eine moderate Öffnung für Mindestlöhne ermöglichen. FDP-Chef Philipp Rösler erwartet am Wochenende trotz massiver interner Kritik eine klare Mehrheit für seine Mindestlohn-Strategie.

In Nürnberg will die Regierungspartei vier Monate vor der Bundestagswahl ihr Programm beschließen.

Hauptforderung ist die rasche Sanierung der Staatsfinanzen. Wenn es Spielräume gibt, sollen auch Bürger und Firmen entlastet werden. So will die FDP frustrierte Grünen-Wähler gewinnen, die Sorge vor höheren Steuern haben. In Umfragen liegt die FDP derzeit bei nur vier Prozent und muss am 22. September um den Einzug in den Bundestag zittern.

Rösler will weitere Lohnuntergrenzen in Branchen und Regionen erlauben, wo es keine Tarifbindung gibt. Firmen dürften die Ausbeutung von Mitarbeitern nicht als Geschäftsmodell betreiben. Außenminister Guido Westerwelle ergänzte in der „Welt“: „Es hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun, wenn jemand mit drei Euro Stundenlohn nach Hause gehen muss.“

Einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn Opposition und Gewerkschaften fordern, lehnte Spitzenkandidat Rainer Brüderle ab. „Das ist Unsinn“, sagte Brüderle am Abend vor Beratungen der Parteispitze.

Mehrere Landesverbände wollen auf dem Parteitag versuchen, Röslers Mindestlohn-Vorgabe zu kippen. Sie sehen den FDP-Markenkern in Gefahr. Die Partei solle sich lieber um ihre Stammwähler kümmern, als mit weichgespülten Inhalten nach links zu rücken. „Wir dürfen nicht eine falsche Baustelle aufmachen, sondern müssen unserem eigenen Weg treu bleiben“, sagte FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt dem „Badischen Tagblatt“.

Wie am Freitagabend verlautete, will die Parteispitze den Streit mit einem Kompromissvorschlag entschärfen. Grundlage dafür soll das Mindestlohn-Modell sein, das kürzlich beim Landesparteitag der NRW-FDP mit großer Mehrheit beschlossen worden war. Es sieht gesetzliche Änderungen, die Einbindung von Wissenschaftlern in Lohnfindungs-Kommissionen sowie die Beteiligung des Kartellamtes vor. Parteivize und NRW-Chef Christian Lindner sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Wir wollen keine von Politikern festgelegten Mindestlöhne, die so intransparent zustande kommen wie der Rundfunkbeitrag.“

In der Steuerpolitik wollen die Liberalen von der Abgrenzung von SPD und Grünen profitieren. Parteivize Holger Zastrow schlug vor, Schwarz-Gelb sollte bei einem Wahlsieg ab 2014 den Solidaritätszuschlag für Einkommen bis 4800 Euro abschaffen. Die erforderlichen sechs Milliarden Euro habe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits für die Minderung der kalten Progression im Haushalt eingeplant.

Rösler machte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erneut deutlich, dass für ihn die Haushaltssanierung im Vordergrund steht. „Wir alle haben gesehen, dass man eines nicht unterschätzen darf: Die Gefahr, die von einer übermäßigen Staatsverschuldung ausgeht.“ Sollte der Bund 2016 aber Überschüsse erwirtschaften, „dann müssen wir an die Entlastung der Bürger herangehen.

Die FDP hatte trotz ihrer Schwäche in den bundesweiten Umfragen bei den letzten drei großen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gut abgeschnitten. Der lange umstrittene Rösler konnte zu Jahresanfang seine Macht festigen. In Nürnberg steht er nicht zur Wahl. Der 40-jährige Vizekanzler und Wirtschaftsminister war bereits auf einem Parteitag Anfang März für zwei weitere Jahre als FDP-Chef bestätigt worden.