Mensch Merkel - Die Kanzlerin und die Fähigkeit eines Kamels

Die Kanzlerin unterhält das Publikum. Das johlt und klatscht. Ihre Zuhörer erfahren wie nur selten etwas über den Menschen Merkel. Es geht um Schlaf, Schweigen und schöne Männer. Mit solchen Auftritten will die CDU-Chefin nun im Wahlkampf punkten.

Berlin. Angela Merkel entscheidet sich für Gott und die Männer statt für Steinbrück und die Frauen. Sie darf an diesem Abend zwischen zwei Themenkomplexen wählen. Erst dann kommen die Fragen. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück scheidet gleich aus.

Im Gespräch mit der Frauenzeitschrift „Brigitte“ im Maxim Gorki Theater in Berlin bevorzugt Merkel die Alternative Gott - Männern lässt sie den Vortritt vor Frauen. Nach 90 Minuten kann sie zwischen zwei Geschenken als Dank für ihren Auftritt wählen.

Kochbuch oder Klassik? „Darf ich beides mal sehen?“, fragt Wagner-Opern-Fan Merkel, die die „Brigitte“-Kompetenz mehr bei Kochrezepten sieht. Das Publikum johlt, weil Merkel gegen das Interview-Prinzip verstößt, sich entscheiden zu müssen. Schließlich bekommt Merkel beides, Kochbuch und CDs. Politisch korrekt stellt sie klar: „Ich darf das sowieso nicht nach Hause schleppen. Ich stelle das zur Verfügung.“

Merkels Lohn an diesem Abend ist ohnehin ein anderer: Sie hat Spaß, und ihre Zuhörer auch. Merkel hat so viel Persönliches und Privates preisgegeben wie sie eben wollte und ihr im Wahlkampf für die Bundestagswahl nützen könnte. Denn die humorvolle und unterhaltsame Seite der 58-Jährigen kennen die meisten Bürger nicht. Das soll sich ändern.

Den nächsten Termin kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag an: Am 12. Mai stellt Merkel in Berlin in der Reihe „Mein Film“ den DEFA-Klassiker „Die Legende von Paul und Paula“ vor, der wie kaum ein zweiter DDR-Filmgeschichte schrieb. Nächstes Thema: Kristina Schröder oder Ursula von der Leyen? Hier kneift die CDU-Vorsitzende und sagt, dass müsse „Brigitte“ entscheiden.

Es folgen Fragen zu beiden CDU-Bundesministerinnen, die die Hauptdarstellerinnen im Frauenquoten-Streit mit Sprengstoff für die Koalition waren. Merkel bezieht Position für Schröder. Diese ist gegen die feste Quote, von der Leyen will eine gesetzliche Vorgabe. Frauen seien ganz unterschiedlich, sagt Merkel und nennt dann diese drei Namen: Merkel, von der Leyen, Schröder.

Und: „Frauen sind zu Frauen auch nicht immer nett in der Politik.“ Wenige Male kommt Merkel in Verdrückung. Etwa als „Brigitte“-Chefredakteurin Brigitte Huber und Chefreporterin Meike Dinklage fragen, ob von der Leyen in der übernächsten Wahlperiode Kanzlerin werden könnte? „Ich traue das vielen zu“, behauptet Merkel, obwohl die Zahl im unteren einstelligen Bereich liegen dürfte.

„Trotzdem glaube ich, ist die Frage in dem Kontext so gestellt, dass ich jetzt nicht darüber befinden will.“ Und was macht Merkel, wenn sie nicht mehr Kanzlerin ist? „Da hatte ich jetzt wenig Zeit, darüber nachzudenken. Ich habe nicht den Eindruck, dass mir die Fantasie ausgehen wird.“ Etwas sprachlos ist sie noch, als sie sagen soll, was sie an Männern attraktiv finde. „Schöne Augen.“ Fertig.

Fragt sie ihren Mann Joachim Sauer um Rat? „Manchmal sagt er auch von selbst etwas. Die Tatsache, dass er etwas sagt, zeigt, dass es ein Problem gibt.“ Das Publikum ist ob ihrer Komik begeistert. Und warum formt sie immer ihre Hände so komisch vor ihrem Bauch (manche sehen darin eine Raute, andere ein Herzchen)?.

„Es war immer die Frage, wohin mit den Armen (...). Es zeigt vielleicht eine gewisse Liebe zu Symmetrie“, antwortet die Physikerin. Braucht sie wirklich nur vier Stunden Schlaf? Nein, antwortet sie. Jedoch: „Ich habe gewisse kamelartige Fähigkeiten. Ich habe eine gewisse Speicherfähigkeit. Aber dann muss ich mal wieder auftanken.“ Und was nährt eigentlich den Mythos, dass sie eine ganze Nacht lang einen EU-Gipfel bestreiten kann und danach noch fit aussieht? Merkel: „Den Mythos nährt, dass es passiert.“

Schweigen oder reden? Schweigen. „Denken beim Reden ist auch nicht so einfach“, sagt Merkel unter dem Jubel der Zuhörer. Sie mahnt: „Wenn man Verschiedenes denken will, braucht man vor dem Reden eine Phase des Schweigens.“ Und deswegen nehme sie sich auch lange Zeit für Entscheidungen. Politische Gegner sagen, sie verspiele dadurch wichtige Zeit, tue sich generell schwer mit Entschlüssen.

Aber: Einmal entschieden, „wird der Weg gegangen. (...) Ich bin mit mir im Reinen“. Die Finanzhilfen für Griechenland seien ein solcher Entscheidungsprozess gewesen. Eine Frage hat „Brigitte“ vergessen: Dortmund oder Bayern? Welchem Fußballclub drückt Merkel im Champions-League-Finale die Daumen?

Oder erst einmal: Wird sie am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion sein, wo sie auf Steuersünder und FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß treffen dürfte? Dazu Seibert: Sie ist noch nicht entschieden.