Rot-Grün verteidigt Trittin in Pädophilen-Debatte
Berlin (dpa) - Angesichts der Vorwürfe gegen Jürgen Trittin in der Pädophilie-Debatte schließen SPD und Grüne die Reihen hinter dem Grünen-Spitzenkandidaten. SPD-Chef Sigmar Gabriel gab ihm in Berlin Rückendeckung.
Auch der unabhängige Regierungsbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, wandte sich gegen „populistische“ Rücktrittsforderungen. Die Union setzte ihre Attacken fort. Trittin wiederholte sein Bedauern.
Gabriel sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich habe großen Respekt davor, wie die Grünen jetzt mit ihrer eigenen Vergangenheit umgehen. Nichts wird beschönigt, alles kommt auf den Tisch.“
Die Grünen hatten den Göttinger Politologen Franz Walter gebeten, den Einfluss von Pädophilen auf die Partei zu untersuchen. Am Montag machte Walter bekannt, dass Trittin 1981 presserechtlich für ein Kommunalwahlprogramm verantwortlich war, das Straffreiheit für gewaltfreie sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern forderte.
Union und FDP könnten offenbar nicht der Versuchung widerstehen, dieses Thema zum Teil ihres Bundestagswahlkampfes zu machen, sagte Gabriel. „Das ist unanständig gegenüber allen, die unter Kindesmissbrauch gelitten haben und leiden.“
Rörig bescheinigte den Grünen, mit der unabhängigen Aufarbeitung ihrer Gründungszeit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Auch schmerzhafte Ergebnisse werden veröffentlicht, das ist genau der richtige Weg“, sagte Rörig dem „Tagesspiegel“. Zu Rücktrittsforderungen an Trittin sagte er, es müsse in Ruhe und losgelöst vom Wahlkampf und von populistischen Forderungen entschieden werden, wie man auf die Opfer angemessen zugeht.
Trittin sagte in Augsburg: „Wir Grünen, mich eingeschlossen mit der Verantwortung, haben in den frühen 80er Jahren eine Position vertreten zur Pädophilie, die muss allen Missbrauchsopfern als Hohn erscheinen. Und das ist ein Fehler gewesen.“ Die Grünen seien dann aber die ersten im Bundestag gewesen, die die Frage nach sexuellem Missbrauch in der Gesellschaft aufgeworfen hätten. „Und als Ausfluss dieser Debatte haben wir diese Position 1989 korrigiert.“
Parteichefin Claudia Roth warf Unions-Politikern Scheinheiligkeit vor. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt diskriminiere offen Schwule und Lesben und hetze gegen Flüchtlinge, meinte Roth unter anderem.
Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt wies in einem Brief, aus dem „Spiegel Online“ zitierte, die Aufforderung von Unionspolitikerinnen zurück, sie solle sich um mehr Aufklärung bemühen. „Hören Sie endlich auf, mit diesem Thema Wahlkampf zu machen!“ Die Vergewaltigung in der Ehe sei erst 1997 strafbar geworden - „von den Frauen übrigens gegen die Mehrheit von CDU/CSU durchgesetzt“. Die Verurteilung elterlicher Gewalt in der Erziehung habe noch länger auf sich warten lassen. „Dazu brauchte es erst eine rot-grüne Bundesregierung.“
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte im Konstanzer „Südkurier“, die CDU müsse aufpassen, mit ihrer Kritik nicht zu überziehen. Er kündigte auch an: „Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Gründungsjahre der Grünen mit kruden Beschlüssen müssen wir uns auch der Opfer und ihrer Geschichte annehmen.“ Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte Trittin seine weitere Unterstützung zu.
Die Union setzte die Grünen weiter unter Druck. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte die Partei auf, einen Beauftragten für die Angelegenheiten von Missbrauchsopfern zu ernennen. „Die Grünen sind dabei, ihre moralischen Ansprüche, die sie jahrelang als Maßstab ihrer Politik geltend gemacht haben, zu verspielen“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verlangte in der „Rheinischen Post“ von Trittin den Rückzug von der Spitzenkandidatur.
Ralf Fücks von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sagte im ZDF: „Wir haben das lange verdrängt, aber programmatisch reinen Tisch gemacht.“ Der Mitautor der Pädophilie-Studie, Stefan Klecha, warf den Grünen in der „Passauer Neuen Presse“ vor, sich nicht gerne an die fraglichen Vorgänge zu erinnern.