Schäuble gegen „Pumpkapitalismus“
Berlin (dpa) - Mit einem konsequenten Schuldenabbau will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Rolle Deutschlands als Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive stärken. Zum Auftakt der Haushaltsberatungen des Bundestages warnte Schäuble vor einem „Pumpkapitalismus“ mit immer neuen Schulden.
„Wir schaffen Vertrauen durch finanzpolitische Solidität und Verlässlichkeit“, betonte Schäuble am Dienstag im Bundestag. Neuen Konjunkturprogramme gegen das sich wieder abschwächende Wirtschaftswachstum erteilte er eine Absage: „Kurzfristige Nachfrage-Stimulierungen werden nicht helfen.“ Eine Rezession befürchtet der Minister in Deutschland nicht.
Die Opposition kritisierte die Etatpläne Schäubles scharf und sprach von Luftbuchungen. SPD, Grüne und Linke verwiesen auf wachsende Risiken in zweistelliger Milliardenhöhe. Die zuletzt gute Konjunkturentwicklung und steigende Steuereinnahmen hätten zu einer stärkeren Senkung des Haushaltsdefizits genutzt werden müssen.
In Schäubles Etatentwurf sind für 2012 neue Schulden von 27,2 Milliarden Euro geplant. Das liegt leicht unter der für dieses Jahr angestrebten Nettokreditaufnahme von 30 Milliarden Euro. Bis 2015 soll sie auf 14,7 Milliarden Euro sinken. Insgesamt sind bis 2015 neue Schulden von 85,5 Milliarden Euro geplant.
Die Gesamtausgaben sollen von 306 Milliarden Euro im nächsten Jahr auf 315 Milliarden Euro im Jahr 2015 klettern. Das Ausgabenplus könnte damit unter der Preissteigerung liegen, weshalb der Bund unterm Strich tatsächlich sparen würde. Endgültig verabschiedet werden sollen die Etatpläne im November. Dann will Schwarz-Gelb auch über die angekündigten Steuersenkungspläne entscheiden.
„Wir setzen mit dem Entwurf den Defizitabbau konsequent fort“, betonte Schäuble. „Wir schwimmen nicht im Geld, aber wir ertrinken auch nicht in Schulden.“ Die Vorgabe der Schuldenbremse, das um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Strukturdefizit auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken, könnte bereits 2015 erreicht werden. Dies wäre ein Jahr früher als vorgeschrieben.
Schäuble geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um rund drei Prozent zulegen werde. Das inzwischen langsamere Wachstum sei eine Normalisierung. „Rezession sieht jedenfalls anders aus.“ In den kommenden Jahren müsse sich Deutschland jedoch auf moderatere Wachstumsraten einstellen. Von 2013 an sei ein durchschnittliches Plus von jährlich rund 1,6 Prozent zu erwarten.
Die Opposition warf der schwarz-gelben Koalition vor, sich auf der guten Konjunktur auszuruhen. Sie verwies auf die beinahe täglich länger werdende Liste der Etat-Risiken. Neben der sich verschärfenden Euro-Schuldenkrise und dem Konjunkturabschwung seien dies geringere Einnahmen aus der Atom- und der Flugticketsteuer. Hinzu kämen weniger Einsparungen aus der Bundeswehrreform, Zinsrisiken, die offene Finanztransaktionssteuer sowie noch nicht eingelöste Sparvorgaben.
SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider warf Schäuble erneut vor, die Vorgaben der Schuldenbremse zu umgehen und eine „Kriegskasse“ für Steuersenkungen zu schaffen. Der Haushalt 2012 könnte allein dank der Konjunktur mit Neuschulden von „nur“ 20 Milliarden Euro auskommen. Aus Sicht von SPD-Fraktionsvize Joachim Poß hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Krise jeglichen Kompass verloren: „Wir haben eine Schönwetterregierung, die nicht krisenfest ist.“
Nach Ansicht der Haushaltsexpertin der Grünen, Priska Hinz, kann Schäuble die zunehmenden Unwägbarkeiten nicht abfedern. „Wenn es einbricht, dann stehen Sie da und können den Finanzplan so nicht erfüllen.“ Echte Einsparungen gebe es lediglich im Sozialbereich, strukturelle Kürzungen hingegen nicht.
Die Parteivorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, verglich den Etatentwurf mit einem „antiken Torso: ohne Arme, Beine und Kopf“. Niemand wisse, was abgesichert werden solle. „So ist keine seriöse Beratungen möglich.“ Die Bundesregierung sei dabei, den Bundestag auszuhebeln, sagte sie mit Blick auf die Euro-Rettungshilfen.