Seehofer hält Klagedrohung vor zweitem Asyl-Gipfel aufrecht
Berlin (dpa) - Vor dem zweiten Asyl-Krisengipfel der großen Koalition innerhalb weniger Tage hält sich CSU-Chef Horst Seehofer den Klageweg gegen die Bundesregierung demonstrativ offen.
Allerdings gehen die Spitzen von Union und SPD davon aus, dass es im Dreiergespräch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel und Seehofer am Donnerstag zu einer Einigung über die weitere Flüchtlingspolitik kommt.
Kompromisslinien zeichneten sich am Mittwoch noch nicht ab - die Fronten seien verhärtet, hieß es in Koalitionskreisen. Ein Knackpunkt bleibt die Frage, ob Registrierungszonen eingezäunt und bewacht werden sollen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bestätigte, dass der Freistaat eine Verfassungsklage gegen die Flüchtlingspolitik der Merkel-Regierung an den deutschen Grenzen prüfen lässt. Federführend sei der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio: „Er hat den Auftrag der Staatsregierung, ein solches Gutachten zu erstellen, um dann zu sagen, wie eine solche Klage aussehen könnte.“
Dem Berliner „Tagesspiegel“ hatte Di Fabio gesagt, er solle ein „ergebnisoffenes“ Gutachten erstellen. Allerdings enden solche Gutachten häufig mit Klageschriften. Seehofer hatte mit „Notwehr“ gedroht, sollte die Regierung in Berlin - an der die CSU beteiligt ist - den Andrang der Flüchtlinge nicht begrenzen.
Merkel äußerte sich zurückhaltend zu den Einigungschancen der Koalitionsspitzen bei dem für Donnerstagnachmittag geplanten Treffen im Kanzleramt. „Alle wollen, dass wir vernünftige Lösungen finden. Wir werden schauen, ob wir Einigkeit erzielen. Und sollten wir keine Einigkeit erzielen, müssten wir eben weiterverhandeln. Das wäre nicht das allererste Mal.“
Nach dem erfolglosen Gipfel am Sonntag ist zwischen Merkel und Seehofer auf der einen Seite sowie Gabriel auf der anderen weiter umstritten, ob die von der Union gewünschten Transitzonen für Flüchtlinge eingerichtet werden. Auch beim Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten am Abend geht es um die Probleme bei der Aufnahme von Schutzsuchenden.
Gabriel erwartet vom Koalitionstreffen eine Einigung, nachdem Union und Sozialdemokraten bereits am Dienstag verbal abgerüstet hatten. Er sagte der „Bild“-Zeitung: „SPD, CDU und CSU werden sicher gemeinsame Vorschläge machen. Das erwarten die Bürger zu recht von uns. Deshalb sollten wir uns einigen.“
Der Vizekanzler betonte zugleich: „Aber was wir beschließen, muss Hand und Fuß haben und in der Praxis auch funktionieren. Reine Papiertiger und faule Kompromisse sind überflüssig. Riesige Haftlager für Tausende Flüchtlinge, die man verdruckst „Transitzonen“ nennt, sind solche Papiertiger.“
In Transitzonen sollen nach dem Willen der Union im Schnellverfahren die Anträge Schutzsuchender abgewickelt werden, die voraussichtlich keinen Anspruch auf Asyl haben, weil sie zum Beispiel aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen.
Die SPD plädiert stattdessen für „Einreisezentren“. Die nordrhein-westfälischen Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) bekräftigte im Düsseldorfer Landtag: „Wir wollen nicht, dass Menschen in Haft genommen werden, und (...) dabei bleibt es auch.“ Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, ihre Partei werde keinen Zentren zustimmen, „die eingezäunt und bewacht sind“.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) setzt weiter auf schnelle Kompromisse zwischen SPD und Union. Es könnten nicht weiter Tausende Flüchtlinge unregistriert die deutsche Grenze passieren, sagte er der Zeitung „Neue Westfälische“. Notwendig seien ein kontrolliertes Verfahren bei der Einreise sowie mehr Tempo bei der Registrierung und Rückführung abgelehnter Asylbewerber.
Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und zur Bekämpfung ihrer Ursachen stockt die Regierung die Finanzmittel weiter auf. Für humanitäre Hilfe wird der Etat des Auswärtigen Amts im laufenden Jahr um weitere 75 Millionen Euro erhöht, wie der Haushaltsausschuss des Bundestages am Mittwoch beschloss.
Der nochmals überarbeitete zweite Nachtragsetat für 2015 sieht zudem zusätzliche Mittel für Bundeskriminalamt, Technisches Hilfswerk sowie Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) vor. Mit den Zusatzmitteln könnten Hilfen des Welternährungsprogramms für Syrien, Jordanien und die Türkei mit 65 Millionen Euro sowie Programme des UN-Flüchtlingswerks in Syrien und Nachbarländern mit 10 Millionen Euro gefördert werden.