Bayern-Wahl Seehofer steht vor seiner größten Schlacht

Berlin · Für den CSU-Chef geht es bei der Bayern-Wahl am kommenden Sonntag um alles. Dabei ist es egal, ob die Wahlergebnisse seine Schuld sind – oder nicht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der keinesfalls freiwillig gehen will, könnte per Vorstandsbeschluss am Montag nach der Wahl von anstehenden Koalitionsverhandlungen ausgeschlossen werden.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es ist eine Situation, wie Horst Seehofer sie mitunter mag. Dann macht sich der 1,93 Meter große CSU-Chef und Innenminister noch größer. Er steckt eine Hand in die Hosentasche, lächelt süffisant und beginnt zu plaudern. Zwischendurch nur unterbrochen von seiner Schnappatmung, die einsetzt, wenn er glaubt, eine besonders lustige Anmerkung gemacht zu haben. Am Dienstag steht Seehofer also in der Unionsfraktion und hält noch schnell Hof vor Beginn der
Sitzung.

Er ist umringt von Journalisten, ihre Nähe hat er gesucht. Dabei ist sein Verhältnis zur Hauptstadtpresse reichlich ambivalent. Will Seehofer Botschaften loswerden, geht er auf Tuchfühlung, dann sitzt ihm der Schalk im Nacken. Scharfer Humor ist ohnehin seine Waffe. „Sie verfolgen mich doch schon lange“, grient er einen an. Seehofers Schnappatmung setzt ein. Fühlt er sich aber ungerecht behandelt, was oft der Fall ist. Seit er Minister für Inneres, Heimat und Bauen in Berlin ist, grantelt er mit finsterer Miene gegen die Journaille, die ihn mal wieder bewusst missverstanden hat.

Die schwarz-rote Koalition
am Rand des Bruchs

Sieben Monate ist sein Wechsel von München nach Berlin nun her. Sieben lange Monate, in denen Seehofer die schwarz-rote Koalition sogar zwei Mal bis an den Rand des Bruchs getrieben hat. In denen er irgendwie nie den richtigen Ton fand. Nun steht er vor einer seiner schwersten Schlachten, an deren Ende alles vorbei sein könnte. Sie beginnt am kommenden Sonntag, 18 Uhr, wenn die ersten Prognosen zum Ausgang der Landtagswahl in Bayern über die Bildschirme flimmern.

Parteimitglieder: Störfeuer überlagen Bayern-Wahlkampf

Kommt es zum Verlust der absoluten Mehrheit für die CSU, sogar zum Absturz auf weniger als 35 Prozent, soll nach dem Willen vieler „Parteifreunde“ Seehofer zum Hauptschuldigen gemacht werden.

Die Anklage lautet: Seine ständigen Störfeuer, vom Streit um den Masterplan Migration über seinen Rücktritt vom Rücktritt bis hin zur Affäre um den Verfassungsschutz-Präsidenten Maaßen, hätten den Bayern-Wahlkampf komplett überlagert.

Aus „Crazy-Horst“, wie er früher wegen seiner inhaltlichen Sprunghaftigkeit genannt wurde, sei ein überforderter „Chaos-Horst“ geworden. Ein Insider verrät: So häufig, wie unter dem Bajuwaren, habe im trägen Innenministerium schon lange nicht mehr „die Hütte gebrannt. Seehofer hat halt seine eigene Dynamik.“ Frust klingt da mit.

Konkurrenz zwischen
Seehofer und Söder

Viele in der CSU unterstellen dem 69-Jährigen freilich Absicht. Er nehme die Talfahrt der Partei bewusst in Kauf, um seinem verhassten Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Markus Söder (51), zu schaden. Beide sind sich spinnefeind. Söder hat Seehofer aus der Staatskanzlei gedrängt, ihm aber (noch) nicht das Amt des Parteivorsitzenden genommen.

Die CSU ist jedoch dafür bekannt, dass sie, einmal in Rage, nicht zimperlich mit ihren in Ungnade gefallenen Leuten umgeht. Edmund Stoiber zum Beispiel kann davon ein Lied singen. An dessen Sturz als Ministerpräsidenten 2007 war Seehofer nicht unbeteiligt. Nun heißt es, Seehofer, der keinesfalls freiwillig gehen will, könne per Vorstandsbeschluss am Montag nach der Wahl von anstehenden Koalitionsverhandlungen ausgeschlossen werden. Das wäre die Entlassungsurkunde für einen Vorsitzenden. Rückhalt hat er wohl keinen mehr.

Nun ist der Ingolstädter allerdings auch ein Meister der Winkelzüge. Er kennt das politische Geschäft wie kein Zweiter. Er war Gesundheitsminister unter Kohl, Landwirtschaftsminister unter Merkel, er drohte oft mit Rücktritt, den er nur einmal im Jahr 2004 als Fraktionsexperte wegen des Streits über die „Kopfpauschale“ tatsächlich vollzog. Konflikte scheut er nicht, schon gar nicht mit Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik. „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, donnerte er ihr vor wenigen Monaten in der Auseinandersetzung um seine Migrationspläne entgegen. Überbordendes Selbstbewusstsein ist eine seiner markantesten Eigenschaften. Deswegen glaubt mancher, Seehofer werde nach einem Wahldesaster versuchen, Söder zumindest mit in den Abgrund zu reißen. Nur wie, ist offen. Umringt von den Journalisten in den Unionsfraktion sagt er, vor sechs Monaten habe man in der CSU-Spitze vereinbart, regelmäßig zusammen aufzutreten, an einem Strang zu ziehen und ein „Hammerthema“ für Bayern zu setzen. Davon sei nichts eingetreten. Dass er das so offen erzählt, zeigt: Er ist bereit für die Schlacht.