Sexueller Missbrauch Sexueller Missbrauch: Nicht nur in der katholischen Kirche
Düsseldorf · ANALYSE Nicht nur die katholische Seite ist betroffen. In der rheinischen Landeskirche gilt bei Vorwürfen ein festes Verfahren.
. An diesem Dienstag werden auf der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda die Ergebnisse der Studie zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen durch Priester und Diakone vorgestellt. Anschließend wird sich am Nachmittag auch das Erzbistum Köln zu Vorgängen äußern, die das Bistum betreffen. Aber Missbrauchsfälle sind nicht auf die katholische Kirche beschränkt. Die Evangelische Kirche im Rheinland (Ekir) hat seit 2003 ein verbindliches Verfahren für den Umgang mit Verdachtsfällen.
In diesem Zeitraum sind bisher nach Angaben der Landeskirche gegen 25 Pfarrer und zwei Pfarrerinnen strafrechtliche und/oder diziplinarrechtliche Verfahren eingeleitet worden. 14 Fälle davon wurden mit Konsequenzen abgeschlossen – vom Verweis bis hin zur Entfernung aus dem Dienst samt Verlust aller Versorgungsansprüche in zwei Fällen. Acht Fälle wurden eingestellt, fünf sind noch anhängig. Einige der Vorfälle betrafen auch die Zeit vor 2003. 14-mal waren Minderjährige Opfer. Zweimal erfolgte der Missbrauch im Pfarrhaus – also innerhalb der eigenen Familie.
Bei den fünf anhängigen Missbrauchsfällen ermittelt in drei Verfahren noch die Staatsanwaltschaft (solange ruht das automatisch in Gang gesetzte Diziplinarverfahren). In den beiden anderen Fällen laufen disziplinarrechtliche Ermittlungen, obwohl die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen eingestellt hat oder der Vorwurf strafrechtlich verjährt ist. Mit der Eröffnung des Disziplinarverfahrens ist die Ausübung des Dienstes mit sofortiger Wirkung untersagt. Die Ermittlungen werden dabei von einer Juristin im Landeskirchenamt geführt. Die Gerichtsbarkeit liegt inzwischen aber bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover.
Klare Anweisungen für straf- und disziplinarrechtliches Vorgehen
Das vor 15 Jahren etablierte Ekir-Verfahren basiert auf einem Zwei-Säulen-Modell: zum einen Beratung und Begleitung für die Opfer, zum anderen klare Anweisungen für die straf- und disziplinarrechtliche Verfolgung. Claudia Paul, zentrale Ansprechpartnerin für Betroffene, ist auch bewusst nicht im Düsseldorfer Landeskirchenamt, sondern in der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung angesiedelt.
„Bei Altfällen entscheiden die Betroffenen selbst, ob es ein Disziplinarverfahren geben soll“, sagt Paul. Manche wollen das nicht, um sich nicht erneut einer Vernehmung unterziehen zu müssen. Darum gibt es auch etwa ein Dutzend Vorfälle, die ohne Verfahren geblieben sind. „Unsere Grenzen erreichen wir, wenn der mutmaßliche Täter verstorben ist“, ergänzt Vizepräses Christoph Pistorius. „Dann bleibt nur noch, die Betroffenen um Verzeihung zu bitten und ihnen Beratung anzubieten.“ Aber auch in diesen Fällen werde der Frage nachgegangen, ob es Mitwisser und Vertuscher gab. Seit fünf Jahren ist zudem eine Kommission für die Prüfung finanzieller Leistungen der Kirche eingerichtet. Bisher wurden in elf Fällen je 5000 Euro an die Betroffenen gezahlt.
„Die Seelsorge ist die Muttersprache der Kirche“, hat die frühere Vizepräses Petra Bosse-Huber einmal gesagt. Daher sind Missbrauchsfälle im kirchlichen Raum für ihren Nachfolger Christoph Pistorius im Vergleich zu anderen Verbänden auch „besonders schlimm“: weil sie statt des versprochenen Seelenheils für eine schwerwiegende Verletzung der Seele stehen.