Todesfall bei der Bundeswehr Soldaten wurden vor Kollaps auf Zusatzmarsch geschickt

Munster/Berlin (dpa) - Kurz vor dem Tod eines kollabierten Soldaten bei einem Bundeswehrmarsch hat der Mann mit seinen Kameraden noch eine Extra-Strecke laufen müssen.

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„Dieser Hin- und Rückmarsch (...) vom Ausbildungsort in die Kaserne und zurück war im Dienstplan nicht vorgesehen“, heißt es in einem Zwischenbericht des Verteidigungsministeriums zur Untersuchung der Vorfälle im niedersächsischen Munster. Mehr als 25 Soldaten hätten dabei „eine Strecke von insgesamt ca. sechseinhalb Kilometern, streckenweise im Laufschritt“ absolvieren müssen.

Am 19. Juli waren mehrere Offiziersanwärter bei einer Übung im Gelände kollabiert, einer starb an den Folgen. Nach ersten Untersuchungen hatten die Soldaten einen Hitzschlag erlitten. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums warnte aber davor, „voreilige Schlüsse“ zu ziehen. „Es gibt im Moment keine große Hauptursache, auf die man dieses tragische Gesamtgeschehen zurückführen kann“.

Grund für den zusätzlichen Marsch, den die Soldaten vor der eigentlichen Übung absolvieren mussten, war dem Papier zufolge, dass fehlende Ausrüstungsgegenstände aus der Kaserne geholt wurden. Von einem „Strafmarsch“ würden die Ausbilder der Bundeswehr dabei nicht sprechen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Freitag, ergänzte aber: „Wenn Sie es als erzieherische Maßnahme betiteln wollten, damit hätte ich jetzt praktisch keine Schwierigkeiten.“ Einige Offiziersanwärter mussten außerdem bei sommerlichem Temperaturen von knapp 28 Grad Liegestütze machen.

Der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu forderte Bundeswehr und Verteidigungsministerium auf, die Vorgänge „transparent“ aufzuklären und auf „Verharmlosungen“ zu verzichten. In einer ersten Obleuteunterrichtung sei auf seine Nachfrage, ob der Marsch mit Laufintervallen oder anderen Maßnahmen ergänzt worden sei, „mit einem unverschämten und höhnischem Unterton verneint“ worden. „Es hat den Anschein, dass wesentlich mehr stattgefunden hat als ein einfacher Marsch“, sagte Neu. Die hohe Zahl an äußerst erschöpften und verletzten Soldatinnen und Soldaten lasse „andere Ablaufszenarien“ vermuten.

Der später gestorbene Offiziersanwärter brach dem Bericht zufolge bereits beim Zusatzmarsch auf dem Hinweg zur Kaserne kurz vor dem Ziel zusammen. Er starb im Krankenhaus an multiplem Organversagen, wie laut Staatsanwaltschaft aus dem Obduktionsbericht hervorgeht. Wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lüneburg der Deutschen Presse-Agentur sagte, habe das Multiorganversagen des Mannes im Zusammenhang mit einer Sepsis gestanden, auch Blutvergiftung genannt. Dabei gerät eine Entzündung außer Kontrolle und die körpereigene Abwehr schädigt das eigene Gewebe.

Ein weiterer Offiziersanwärter liegt laut Zwischenbericht noch immer im Krankenhaus und ist weiter in kritischem Zustand. Zwei weitere Soldaten machen derzeit eine Reha. Insgesamt klagten demnach elf Rekruten im Zusammenhang mit den Märschen über Beschwerden, darunter auch leichtere Verletzungen.

Acht Ausbilder und 35 Offiziersanwärter seien bereits vom Kompaniechef zu dem Fall vernommen worden, heißt es in dem Zwischenstand. Der Kompaniechef leitet die internen Ermittlungen der Bundeswehr. Auch die Staatsanwaltschaft in Lüneburg ist mit dem Fall befasst und prüft, „ob jemandem ein strafrechtlich relevanter Vorwurf zu machen ist, insbesondere ob möglicherweise fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung in Betracht kommen könnten“, sagte die Sprecherin der Ermittlungsbehörde am Freitag.

Dass illegale Aufputschmittel im Spiel waren, hatte das Verteidigungsministerium am Montag dementiert. Ein Soldat habe zwar ausgesagt, einen Energy Drink getrunken zu haben, ob das zu dem Hitzschlag beigetragen haben könnte, blieb aber offen.