Schlüsselposten im Kabinett Spahn ante portas und dann ging es ruckzuck
Mit ihrem Wechsel ins Verteidigungsressort verlässt Annegret Kramp-Karrenbauer ihre bisherige Linie – auf Drängen der Kanzlerin.
Unverhofft kommt oft, wird sich Michael Müller (SPD) gedacht haben. Der Regierende Bürgermeister von Berlin musste am Mittwoch plötzlich Bundesminister ernennen und entlassen. Denn er ist nach dem urlaubenden Bundespräsidenten und nach dem verreisten Bundesratspräsidenten derzeit der dritte in der Rangliste. Müller nutzte seine Chance und hielt bei der Zeremonie im Schloss Bellevue eine wirklich gute Rede. Seit Mittwoch, exakt 11.11 Uhr, ist CDU-Chefin Annegret-Kramp-Karrenbauer Deutschlands 18. Verteidigungsminister. In einer Reihe mit Franz-Josef Strauß und Helmut Schmidt. Und nach der scheidenden Ursula von der Leyen die zweite Frau im Amt.
Auch für Angela Merkel lief der Tag perfekt. Morgens gab es einen riesigen roten Blumenstrauß im Kabinett, die Kanzlerin war 65 Jahre alt geworden. Und danach überstand sie die Amtsübergabe im Schloss Bellevue ohne Zittern. Während Müllers Rede saß sie auf einem Stuhl, anders als vor drei Wochen bei der Zeremonie zum Wechsel im Justizministerium, bei der sie einen neuen Anfall bekommen hatte. Oft nickte Merkel zustimmend, wenn Müller von der Leyens Leistungen in 14 Regierungsjahren und drei verschiedenen Ministerien lobte. Und sie lächelte viel. Aus Sicht der Kanzlerin ist alles optimal gelaufen. Von der Leyen ist EU-Kommissionspräsidentin und ihre eigene designierte Nachfolgerin sitzt nun auf einem Schlüsselposten im Kabinett.
Unverhofft kam der Job auch für Kramp-Karrenbauer. Seit ihrer Wahl zur CDU-Chefin hatte sie immer wieder erklärt, nicht ins Kabinett eintreten zu wollen. Noch Anfang Juli hatte sie das in Interviews bekräftigt: „Es gibt in der CDU viel zu tun.“ Der unerwartete Weggang Ursula von der Leyens änderte die Ausgangslage. Zumal der AKK-Rivale, Gesundheitsminister Jens Spahn, sonst wohl Verteidigungsminister geworden wäre. Denn für ihn stand mit der Integrationsbeauftragten und Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz (CDU) ein adäquater Ersatz bereit. Die Zahl der Frauen im Kabinett wäre ebenfalls gleich geblieben.
Mit einer solchen Lösung hatten die journalistischen Beobachter ebenso wie die meisten CDU-Leute in Berlin gerechnet, und es gab am Dienstagabend auch schon „exklusive“ Pressemeldungen, dass es so komme. Als Kramp-Karrenbauer um 21 Uhr von „Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay bei der Aufzeichnung eines Interviews darauf angesprochen wurde, setzte sie ein Pokerface auf. „Ich kommentiere keine Meldungen. Ich treffe Entscheidungen gemeinsam mit der Regierungschefin und der Regierungspartei“. Da wusste sie schon, dass sie den Job bekommen würde. Unmittelbar nach dem Interview ging sie in eine Schaltkonferenz mit dem CDU-Präsidium, wo Angela Merkel die Entscheidung mitteilte. Atalay blieb um 22.30 Uhr nur die Wahl, das so schnell inaktuell gewordene Gespräch wegzuwerfen oder es mit einem Hinweis auszustrahlen. Sie entschied sich zähneknirschend für Letzteres. Im Umgang mit der Hauptstadtpresse wäre es in Berlin eigentlich üblich gewesen, wenn AKK ihr mindestens vertraulich einen Hinweis auf die Situation gegeben hätte.
Keine zwölf Stunden nach dem Interview lud das Bundesverteidigungsministerium schon zum Bildtermin: „Dienstantritt und Übernahme der Amtsgeschäfte durch die neue Bundesministerin der Verteidigung“. Direkt nach der Zeremonie im Schloss Bellevue schritt Kramp-Karrenbauer zusammen mit ihrer Vorgängerin im Ministerium eine Ehrenformation ab. Abends dann Großer Zapfenstreich für Ursula von der Leyen. Die Protokollabteilung des Verteidigungsministeriums zeigte sich voll einsatzbereit.
Die Opposition ließ an der Nachfolgeregelung kein gutes Haar. Vor allem die mangelnde verteidigungspolitische Erfahrung der 56jährigen Saarländerin wurde aufgespießt. Bei Merkel würden die Ministerien zu Verschiebebahnhöfen, um die „schrägen“ Personalprobleme der Union zu regeln, kritisierte Linken-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte. FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete die Entscheidung gar als „eine Zumutung für die Truppe und für unsere Nato-Partner". Zwar hat sich Kramp-Karrenbauer bisher tatsächlich nicht als Verteidigungspolitikerin profiliert, doch hat sie Regierungserfahrungen. Sie war lange Ministerpräsidentin des Saarlandes und dort zuvor auch die erste Frau in Deutschland, die ein Innenministerium leitete, eine Männerdomäne. Samt Verantwortung für die Polizei. In ihrer ersten Stellungnahme sagte sie am Mittwoch, die Bundeswehr habe „die höchste politische Priorität verdient."
Nächsten Mittwoch müssen die Abgeordneten für eine Sondersitzung des Bundestages ihren Urlaub unterbrechen. Denn dann soll Kramp-Karrenbauer vereidigt werden. Danach könnte in der Hauptstadt eigentlich wirklich die Sommerpause ausbrechen – wenn nichts dazwischen kommt.