SPD droht mit Aus für neue Endlagersuche
Berlin (dpa) - SPD-Chef Sigmar Gabriel droht Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) offen mit einem Scheitern der Gespräche über eine bundesweite Suche nach einem Atommüll-Endlager.
Die von Röttgen für die Endlagersuche geplante „Zerschlagung“ des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sei ein politischer Skandal, sagte Gabriel der „Braunschweiger Zeitung“ (Samstag). Die Pläne für ein Bundesinstitut zur Endlagerung liefen darauf hinaus, die Kompetenz im Umgang mit radioaktiven Abfällen bei der Endlagersuche außen vor zu lassen. Zudem könnte es mittelfristig eine Privatisierung der Atommüll-Entsorgung geben.
Röttgen wies die Kritik auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zurück. „Das ist eine völlig neue Aufgabe, die auch eine neue Behördenstruktur erfordert“, sagte der Minister. „Wir stehen vor einer Entscheidung, die auch die nächsten Generationen mit tragen müssen.“ Da könnten Einzelinteressen keine Rolle spielen. „Um diesen Prozess glaubwürdig, transparent und nachvollziehbar zu machen, brauchen wir eine Einrichtung, die außerhalb von Weisungen steht.“
Das neue Bundesinstitut soll nach den bisherigen Gesetzentwürfen federführend die Endlagersuche übernehmen. Das BfS könnte in der Frage der gesamten Endlagerung von hoch-, sowie schwach- und mittelradioaktiven Atommüll weitgehend außen vor bleiben. „Die SPD wird die Zerschlagung des Bundesamtes nicht mittragen, das ist auch unsere Linie in den Konsensgesprächen von Bund und Ländern“, betonte Gabriel, der Röttgens Vorgänger als Bundesumweltminister ist.
Röttgen sagte, nur mit einem unabhängigen Institut könne man Akzeptanz bei den Bürgern gewinnen. Es soll auch die Beteiligung der Bürger organisieren. Genehmigung und Aufsicht könnten nicht in einer Hand liegen, sagte er mit Blick auf das BfS. „Eine Behörde kann sich nicht selber kontrollieren. Auch darüber gibt es Einvernehmen zwischen Bund und Ländern.“ Der bisherige Zustand sei nicht tragbar.
Das BfS wird vom Grünen-Mitglied Wolfram König geleitet. Bei den bisherigen Endlagern und Endlagerprojekten Asse, Morsleben und Schacht Konrad hat sich das BfS gerade bei den Bürgern vor Ort viel Ansehen erworben. Es betont, es kontrolliere sich nicht selber, sondern stehe unter Aufsicht des Bundesumweltministeriums.
Ein für Sonntag geplantes Spitzentreffen bei Röttgen zum Neustart bei der Endlagersuche hatten SPD und Grüne kurzfristig abgesagt. Beide Parteien hätten noch weiteren Beratungsbedarf, hieß es aus Verhandlungskreisen. 90 Prozent des Gesetzentwurfs für die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll stehen.
Umstritten ist neben der Aufgaben des Bundesinstituts auch, wann und wie der Salzstock Gorleben mit anderen Standorten verglichen werden soll, der seit 35 Jahren als einzige Option geprüft wird. Eigentlich soll das Gesetz bis zum Sommer unter Dach und Fach sein.
Gabriel betonte, so könne es keinen Konsens bei der Endlagersuche geben, den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angeboten habe. Röttgen wolle mit dem BfS das deutsche Kompetenzzentrum für die Sicherheit im Strahlenschutz und den Umgang mit radioaktiven Abfällen zerschlagen, weil ihm die kritischen Mitarbeiter ein Dorn im Auge seien.
Stattdessen wolle der Minister sich eine „gefügige Alibi-Behörde“ schaffen, an deren Spitze er offenbar den Chef der Entsorgungskommission des Bundes, Michael Sailer, setzen wolle. Gabriel kritisierte auch, dass Röttgen eine privatwirtschaftlich organisierte GmbH für den Endlagerbetrieb plane. „Der Atomwirtschaft darf nicht die Entsorgung ihres Atommülls überlassen werden, sonst würden Sicherheitsfragen aus Kostenfragen laxer beurteilt.“
Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP) reagierte mit massiver Kritik auf die Drohung Gabriels. „Das ist unverantwortlich“, sagte er am Samstag auf dem Parteitag der niedersächsischen FDP in Hameln. Wer in einer so wichtigen Frage die Gespräche torpediere, verkenne seine politische Verantwortung. Anstatt die Chance für einen Konsens zu nutzen, taktierten SPD und Grüne, kritisierte Birkner.