SPD fürchtet die Glaubwürdigkeitsdebatte

Der Blick soll von der Personalie Schulz auf Inhalte des Koalitionsvertrags gelenkt werden.

Martin Schulz statt Sigmar Gabriel im Außenministerium: ein angekündigter Wechsel, der die SPD aufwühlt. Gabriel hatbereits seinen für den 17. Februar geplanten Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz abgesagt.

Foto: Kay Nietfeld

Düsseldorf. Man muss nicht jede verbale Eruption der Sozialen Medien als getreues Abbild der Stimmung an der Basis nehmen. Aber ein Streifzug durch die Kommentare auf Martin Schulz’ Facebook-Seite macht deutlich: Sein angekündigter Wechsel ins Außenministerium in Kombination mit seinem legendären Satz „In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten“ ist nicht nur für die politischen Gegner Anlass für Spott bis hin zu blankem Hass. Auf dem Weg zum Mitgliedervotum droht die Personalie auch die Diskussion innerhalb der Sozialdemokratie zu bestimmen.

Bei der NRW-SPD will man gewappnet sein. Landeschef Michael Groschek rechnet damit, dass es nicht nur auf den geplanten fünf Veranstaltungen der Landespartei zum Koalitionsvertrag eine „emotionale Diskussion“ um die Glaubwürdigkeit des scheidenden Parteivorsitzenden geben wird. „Und Schulz ist aufgefordert, sich dieser Diskussion zu stellen.“

Gleichzeitig springt Groschek dem ehemaligen Kanzlerkandidaten zur Seite: „Es gibt auch eine politische Glaubwürdigkeit. Die SPD muss überlegen, wer am glaubwürdigsten die Europapolitik vorantreiben kann.“ Schulz sei der „Mr. Europa“ der SPD und könne einen großen Beitrag leisten, „die Europapolitik neu aufzustellen“.

Ein Fingerzeig, wie die SPD versuchen will, den Sprung von der emotionalen Personaldiskussion in eine Sachdebatte zu schaffen. Selbst der Jusovorsitzende Kevin Kühnert, Speerspitze der Groko-Gegner, ärgert sich darüber, dass Personalfragen die inhaltliche Auseinandersetzung überlagern könnten. Er bezieht das vor allem auf den Zeitpunkt des angekündigten Führungswechsels an der Spitze der Partei. Auf den Zug des Schulz-Bashings scheint Kühnert also im Vorfeld des Mitgliederentscheids nicht mehr aufspringen zu wollen.

Der NRW-Landesbezirk sucht derzeit noch nach einer geeigneten Form, seine fünf Veranstaltungen (16.2. Bielefeld, 19.2. Bochum, 20.2. Köln, 21.2. Oberhausen, 22.2. Münster) auf die inhaltliche Schiene des Koalitionsvertrages zu setzen — „denn da kenne ich kaum jemanden, der sagt, das sei zu wenig“, ist Groschek vom Verhandlungsergebnis überzeugt. Darum werden nach seinem Willen auch alle 17 Teilnehmer der nordrhein-westfälischen SPD an den Koalitionsverhandlungen die Werbetrommel rühren. Drei bis vier Themen des Ergebnisses sollen vertiefend dargestellt werden. „Ich möchte nicht, dass das eine frontale Unterhaltungsshow wird“, sagt der Landesvorsitzende.

Ob und wo Martin Schulz vor dem Mitgliedervotum noch einmal in NRW auftritt, ist bisher offen. Auch die Bundes-SPD will mit einer ihrer acht Regionalveranstaltungen ins bevölkerungsreichste Bundesland kommen — nach Kamen. Für den Fall, dass dabei auch das Wegdrängen von Sigmar Gabriel Thema werden könnte, baut Groschek vor: „Die jetzt auf dem Gipfel mit ihm jodeln, waren häufig diejenigen, die im Tal gesagt haben, der kommt auf keinen Berg mehr hoch.“ Er glaube nicht, dass Gabriel in den politischen Ruhestand wechsele. „Man wird von ihm noch viel hören.“

Aber jetzt baut ein anderer Experte für Berg- und Talfahrten auf das Gipfel-Renommee, das der Posten als Außenminister in der Regel verspricht. Ob Martin Schulz dieses Ziel erreicht, ist ungewiss. Sicher scheint nur: Schon bei seinem Aufbruch im SPD-Basislager wird es eisig werden.