GroKo-Verhandlungen SPD-Mitgliederentscheid: Nahles hat keinen Plan B

Berlin (dpa) - Die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles hat keinen Alternativplan für den Fall, dass die Parteimitglieder die geplante große Koalition scheitern lassen.

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„Einen Plan B habe ich nicht“, sagte die Fraktionsvorsitzende am Dienstag vor einer Sitzung der SPD-Bundestagsabgeordneten in Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht trotz der mit fünf Monaten Dauer bislang längsten Regierungsbildungsphase in Deutschland keinen Grund für tiefgreifende Besorgnis.

Er verstehe die Ungeduld, aber man solle die Staatskrise nicht herbeireden, sagte Steinmeier in Bremen. In den vergangenen 70 Jahren habe jede Koalitionsverhandlung mit einem Abschluss und dann mit der sofortigen Regierungsbildung geendet. „Wir erleben jetzt zum ersten Mal, dass das nicht der Fall war“, sagte er angesichts der gescheiterten Jamaika-Verhandlungen. „Jetzt müssen wir sehen, wie sich die SPD, deren Abstimmungsergebnis noch aussteht, bis zum nächsten Wochenende entscheidet.“

Nahles sagte, sie werbe mit voller Energie für ein Ja der Mitglieder zum Koalitionsvertrag mit der Union. „Ich persönlich will nicht über einen Ausgang mit Nein spekulieren.“ In einem solchen Falle müsse man zügig beraten.

Da die gesamte Parteispitze sich für ein Ja eingesetzt hat, wären auch personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen. Der Wortführer des Nein-Lagers, Juso-Chef Kevin Kühnert, hat bisher eine Kandidatur für den Parteivorsitz ausgeschlossen. Nahles will sich bei einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden zur Nachfolgerin des zurückgetretenen Martin Schulz wählen lassen.

Bei einem Nein der SPD-Basis wäre Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gut fünf Monate nach der Bundestagswahl auch mit ihrem zweiten Anlauf zur Bildung einer stabilen Regierung gescheitert. Dann käme erneut der Bundespräsident zum Zuge. Voraussichtlich würde er erneut mit den Vorsitzenden jener Parteien beraten, von denen erwartet wird, dass sie gemeinsam eine Regierung bilden könnten.

Es wird damit gerechnet, dass der Bundespräsident bei einem Scheitern des Mitgliederentscheids der SPD in absehbarer Zeit im Bundestag eine Kanzlerwahl ansetzen würde. Im dritten Wahlgang würde die einfache Mehrheit reichen. Ob er Merkel in diesem Fall den Regierungsauftrag gibt oder den Bundestag für eine vorgezogene Wahl auflöst, ist allein seine Entscheidung.

Nach den bisherigen Planungen will die SPD das Ergebnis ihres Mitgliedervotums über den Eintritt in eine große Koalition an diesem Sonntagvormittag verkünden. Nach dpa-Informationen aus Parteikreisen könnte das Ergebnis bis 11.00 Uhr vorliegen, womöglich schon früher. Der SPD-Vorstand trifft sich am Samstagmittag in Berlin zu einer Klausurtagung, um die nächsten Schritte im geplanten Erneuerungsprozess der Partei zu beraten.

Die Abstimmungsbriefe des Mitgliederentscheids werden am Samstagabend von der Post per Lastwagen zur SPD-Zentrale in Berlin gebracht. Rund 120 Helfer werden anschließend im Willy-Brandt-Haus die ganze Nacht im Einsatz sein, um die Stimmen auszuzählen. Zum Öffnen der Briefe werden sogenannte Hochleistungsschlitzmaschinen zum Einsatz kommen, die bis zu 20.000 Briefe pro Stunde öffnen können. Beim ersten Votum von SPD-Mitgliedern über eine große Koalition vor vier Jahren dauerte das Zählen rund 14 Stunden. 2013 lag die Zustimmung bei rund 75 Prozent, dieses Mal dürfte es knapper werden.

Geplant ist, dass auch der 45-köpfige Vorstand zur Verkündigung des Ergebnisses in das Willy-Brandt-Haus kommt und danach die an einem anderen Ort stattfindende Klausur fortgesetzt werden wird. Bei einem Ja zur GroKo soll die Besetzung der sechs von der SPD geführten Ministerien in den Tagen danach bekannt gegeben werden. Merkel könnte sich am 14. März im Bundestag zur Wiederwahl stellen - damit würde die längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik nach fast sechs Monaten enden.

SPD-Vize Ralf Stegner sagte der dpa, am Ende werde eine Mehrheit der Parteimitglieder zu dem Schluss kommen, die SPD habe doch eine Menge erreicht. Die Alternative zur großen Koalition wäre eine mehr oder weniger baldige Neuwahl.

Der brandenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen soll einem Medienbericht zufolge neuer Ostbeauftragter der Bundesregierung werden. Der 58-Jährige solle sich als Parlamentarischer Staatssekretär künftig um die Belange der östlichen Länder kümmern, wenn das Regierungsbündnis von Union und SPD zustande komme, berichteten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland unter Verweis auf CDU-Kreise. Stübgen selbst bestätigte dies nicht, die Entscheidung sei noch nicht getroffen.