Verbale Nebelschwaden nach dem Diesel-Urteil

Die Landes- und Bezirksregierung wollen Fahrverbote weiter vermeiden. Aber was Dieselfahrer künftig erwartet, bleibt unklar.

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Düsseldorf. Kaum ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Markt, schlägt die Stunde der Statements. Von überall sind sie zu vernehmen: aus der Landesregierung, aus den Fraktionen des Landtags, aus den Rathäusern, den Verbänden und Interessenvertretungen. Denn das bevölkerungsreichste Bundesland zählt in der Konsequenz auch zu den verkehrsreichsten: Allein in NRW halten elf Städte den Grenzwert bei den Stickoxiden nicht ein.

„Ich will keine Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen“, sagt Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dennoch nach der Urteilsverkündung. Seine Umweltministerin und Parteikollegin Christina Schulze Föcking formuliert es etwas moderater: Fahrverbote seien nur „Ultima Ratio“. Die Debatte um ihre Erfordernis und die Verhältnismäßigkeit werde auch nach dem Urteil nicht abebben. „Im Falle von Fahrverboten würden die Falschen für das Fehlverhalten anderer bestraft.“ Also müssten erst einmal „alle technischen Möglichkeiten der Nachrüstung überprüft werden“. Für die Autofahrer müsse das kostenneutral sein. Die Umweltministerin sieht daher „die Automobilbranche in der Pflicht“.

Einen knappen Kilometer von der Staatskanzlei entfernt schüttelt Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) über einen Richterspruch den Kopf, der nicht berücksichtigt habe, „mit welch hohem administrativen und nahezu unlösbarem Aufwand“ Fahrverbote verbunden wären. „Dann müsste im Prinzip bei jedem Fahrzeug anhand der Fahrzeugpapiere überprüft werden, ob es von einem Fahrverbot betroffen ist.“ Nun sei die Bezirksregierung am Zug, „geeignete Maßnahmen“ zu prüfen.

Dort, bei der Genehmigungsbehörde für alle Luftreinhaltepläne im Regierungsbezirk, äußert sich drei Stunden später Regierungsvizepräsident Roland Schlapka. Aber sein Statement trägt wie so viele andere an diesem Tag auch nicht zu einer wirklichen Erhellung bei, auf was sich denn die Dieselfahrer nun einstellen müssen. Seine Behörde sei froh, „dass nun Klarheit über die mögliche Beschilderung lokaler Fahrverbote herrscht“, reduziert Schlapka das Leipziger Urteil zunächst auf den ursprünglichen Gegenstand der Verhandlung.

Wenig überraschend kündigt er an, dass jetzt begrenzte Fahrverbote als eine der möglichen Maßnahmen im Kampf gegen die Stickoxide geprüft würden; dass dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müsse; dass die Grenzwerte flächendeckend eingehalten werden sollen. „Wir hoffen nach wie vor, dass wir ein Diesel-Fahrverbot vermeiden können und die Werte durch andere Maßnahmen senken können.“ Damit bewegt er sich in den verbalen Nebelschwaden des Unkonkreten, die schon seit Wochen die politische Diskussion zu dem Thema prägen.

Die Opposition hält der Landesregierung Orientierungs- und Tatenlosigkeit vor. So wird seitens der SPD der Ruf nach einem zeitnahen NRW-Mobilitätsgipfel laut. Die Automobilindustrie müsse die Nachrüstung der mangelhaften Dieselfahrzeuge übernehmen, fordert der verkehrspolitische Sprecher André Stinka. Und die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage müsse sofort eingeführt werden. Grünen-Fraktionschef Arndt Klocke fordert Schwarz-Gelb auf, zeitnah einen Aktionsplan vorzulegen, „wie der Wechsel zu einer emissionsarmen Mobilität nachhaltig gefördert werden soll. Mittelfristig verhindert nur eine konsequente Mobilitätswende Fahrverbote.“ Fahrverbote lehnt auch die AfD ab — allerdings aus einem anderen Grund: „Wir stehen klar zum Diesel“, sagt ihr umweltpolitischer Sprecher Christian Blex. Für die Stickstoffdioxid-Grenzwerte gebe es „keinerlei medizinische Grundlagen“.

Am konkretesten an diesem nebulösen Urteilstag ist vielleicht die Stiftung Warentest. Zur Frage, was passiert, wenn man gegen ein Fahrverbot verstößt, informiert sie: „Die Buße für eine verbotene Fahrt in eine Umweltzone liegt bei 80 Euro. Sogar 160 Euro sind fällig, wenn die zuständige Behörde davon überzeugt ist, dass Sie vorsätzlich gehandelt, also bewusst gegen das Verbot verstoßen haben.“