Berlin SPD-Parteitag am Sonntag: Jetzt ist Schulz
Der SPD-Kanzlerkandidat hat eine perfekt inszenierte Deutschland-Tournee hinter sich und wird Sonntag Parteichef.
Berlin. Eines kann man der Berliner SPD-Zentrale nicht vorwerfen: Mangelnde Professionalität. Sofort mit der Entscheidung für Martin Schulz als Kanzlerkandidat startete sie eine ziemlich perfekt gemachte Vorstellungs-Tournee durch Deutschland. Vorläufiger Höhepunkt ist nun der Parteitag am Sonntag in Berlin, auf dem der 61jährige den bisherigen Parteichef Sigmar Gabriel (57) ablösen und auch offiziell zum Merkel-Herausforderer ernannt werden soll.
Seine zwei wichtigsten Botschaften hatte Schulz bereits in seiner Antrittsrede am 29. Januar im Willy-Brandt-Haus formuliert. „Ich will Bundeskanzler werden“ und „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit“. Der eine Satz steht für das neue Selbstbewusstsein der SPD und wurde bald mit Umfragen unterfüttert. Die Sozialdemokraten liegen nun gleichauf mit der Union oder sogar vor ihr. Der andere Satz bedient die Sehnsucht der Genossen nach einer Korrektur der ungeliebten Agenda-Reformen.
Bei einer Arbeitnehmerkonferenz in Bielefeld kündigte Schulz Ende Februar konkret eine Verlängerung des Arbeitslosegeldes für Ältere an. Weitere Vorschläge werden von der Rede am Sonntag erwartet. Endgültig wird das Wahlprogramm aber erst Ende Juni auf einem Sonderparteitag in Dortmund verabschiedet. Der Kandidat, der das Chef-Büro in der Parteizentrale schon Ende Januar übernommen hat, schreibt daran kräftig mit.
Schulz sind bisher wenig Schnitzer passiert, wenn man einmal von dem übermütigen „Fangt doch mal an zu rufen“ absieht, mit dem er in Würzburg versuchte, Anhänger zum üblichen „Martin, Martin“-Sprechchor zu bewegen. Dabei hat er das gar nicht nötig; Schulz ist an der Basis regelrecht Kult. Die Genossen überbieten sich bei den Veranstaltungen normalerweise mit kreativen Plakaten, von „Jetzt ist Schulz“ bis „Würselen ist überall“.
12.000 Neueintritte verzeichnet die Partei seit Januar, 40 Prozent davon sind unter 35 Jahre alt. Bei jeder seiner fünf Großveranstaltungen, die sehr bewusst in Mittelstädten wie Würzburg, Kamen oder Worms stattfanden, strapazierte der Kandidat seine Lebensgeschichte als Junge aus kleinem Hause, der „Brüche“ hinter sich habe, samt früherem Alkoholproblem. „Jeder hat ein Recht auf eine zweite Chance“. Schulz wird konsequent als „einer von uns“ inszeniert.
So waren auch die anderen Termine ausgewählt: Ob es ein Besuch im AWO-Seniorenheim in Moers war oder bei der Freiwilligen Feuerwehr in Duisburg. Der Kandidat lässt diese Begegnungen „mit den Menschen, die hart arbeiten“, gezielt in seine Reden einfließen. Die Notwendigkeit für ein neues „Arbeitslosengeld Q“ etwa begründete er mit Äußerungen eines 50 jährigen Mitarbeiter eines Bahnausbesserungswerkes in Neumünster.
Auch der Parteitag am Sonntag ist so eine Inszenierung. 3000 Gäste werden erwartet, darunter 600 Delegierte und 500 Journalisten. Sigmar Gabriel wird von Schulz aus dem Amt des Parteivorsitzenden verabschiedet werden, man darf annehmen mit enorm viel Herz und Schmerz. Altkanzler Gerhard Schröder, der Vater der Agenda-Reformen, ist durch eine Auslandsreise verhindert und kann die Harmonie nicht trüben.
Die Wählkämpfer(innen) Anke Rehlinger (Saarland), Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) und Torsten Albig (Schleswig-Holstein) werden gefeiert werden. Und ihrerseits dem Kandidaten wohl auf ewig dankbar sein, denn auch ihre Umfragewerte sind plötzlich nach oben geschossen. Und dann wird es nach Schulz‘ Rede ein super Wahlergebnis für den neuen ersten Mann geben, sicher deutlich über 90 Prozent. Vier Stunden Geschlossenheit, vier Stunden Siegeszuversicht. Bei den Sozialdemokraten gab es so was lange nicht mehr.