SPD streitet über Rentenniveau
Düsseldorf (dpa) - Soll das Rentenniveau deutlich sinken können, wie es Gesetz ist - oder soll die Regelung wieder gekippt werden? Die Berliner Sozialdemokraten wollen die derzeitigen 50,4 Prozent als Mindestwert dauerhaft festschreiben, ihre NRW-Genossen nicht.
Die Sozialdemokraten in Berlin und Nordrhein-Westfalen gehen mit gegensätzlichen Positionen zum Thema Rentenniveau in den Rentenkonvent der SPD in vier Wochen. Die Berliner SPD beschloss am Samstag auf ihrem Parteitag, sich für eine Gesetzesänderung einzusetzen: Das Rentenniveau dürfe dauerhaft nicht unter die derzeit gut 50 Prozent gehen. Dagegen wollen ihre Genossen an Rhein und Ruhr bis 2020 nicht am Gesetz rütteln - damit könnte das Rentenniveau auch unter den heutigen Stand sinken.
Die Bundes-SPD will ihr Rentenkonzept auf einem Konvent am 24. November festklopfen. Dafür legen die Landesverbände derzeit ihre Positionen fest. Das Rentenniveau liegt heute bei 50,4 Prozent. Rot-Grün hatte 2002 aus demografischen Gründen gesetzlich beschlossen, dass es bis 2030 auf 43 Prozent sinken kann, ohne dass gegengesteuert werden muss.
Die Berliner SPD erhöhte den Druck gegen eine Senkung des Rentenniveaus. Der gesetzliche Auftrag der Rente gehe über reine Vermeidung von Altersarmut hinaus, hieß es im fast einstimmig beschlossenen Leitantrag beim Parteitag vom Samstag. „Die Höhe der Rente ist auch eine Frage der Würde“, sagte der neue Berliner SPD-Chef Jan Stöß.
Sein Landesverband geht mit dem Beschluss auf Konfrontation zur Bundes-SPD, die den umstrittenen Punkt Rentenniveau bisher aus ihrem Rentenkonzept ausgeklammert hat. Nach Schätzung von Experten würde die Beibehaltung des jetzigen Rentenniveaus eine zweistellige Milliardensumme pro Jahr kosten.
Die NRW-SPD als größter Landesverband thematisiert das Rentenniveau zwar, legt sich aber auf keine Zahl fest. „Wir werden das derzeitige Sicherungsniveau bis zum Ende des Jahrzehnts aufrechterhalten“, heißt es in einem einstimmig angenommenen Beschluss des nichtöffentlichen kleinen Parteitags der NRW-SPD vom Samstag. Mit Sicherungsniveau sei aber nicht das Rentenniveau gemeint, stellte NRW-SPD-Generalsekretär André Stinka klar, sondern die im Rentengesetz von Rot-Grün von 2002 festgelegte Formel. Man gehe davon aus, dass Maßnahmen wie Mindestlöhne und faire Löhne das Rentenniveau in den nächsten Jahren stabilisieren würden.
2020 müsse neu bewertet werden, wie ein Ausgleich aussehen könne zwischen einem maximal tolerierbaren Beitragssatz und einem Rentenniveau, das den Lebensstandard sichere, heißt es in dem Beschluss der NRW-SPD, den die 100 Delegierten beim Parteikonvent in Düsseldorf fassten.
NRW ist auch der Heimatverband des designierten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der mehrfach vor unhaltbaren Wahlversprechen auch bei der Rente gewarnt hatte. Der Berliner SPD-Chef Stöß hatte am Samstag noch die Erwartung geäußert, dass auch die NRW-Genossen für die Beibehaltung des jetzigen Rentenniveaus stimmen würden.
Beim Thema Rente mit 67 betonte die NRW-SPD den Beschluss des Bundesparteitags von 2011: „Der für das Jahr 2012 vorgesehene Einstieg in die Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre ist auszusetzen.“ Das Renteneintrittsalter dürfe erst dann angehoben werden, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen auch tatsächlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte kritisiert, dass es zu wenige Jobs für ältere Menschen gebe, und angekündigt, dass die SPD im Fall einer Regierungsübernahme im Herbst nächsten Jahres die Rente mit 67 gegebenenfalls außer Kraft setzen werde.
Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering kritisierte die Einwände seines Nachfolgers gegen die 2007 mit der Union beschlossene Rente mit 67. „Ich bin stolz darauf, wie viel wir erreicht haben“, sagte Müntefering der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Wenn man den Mut hat, den Menschen zu sagen: Jetzt kämpfen wir diese vernünftige Sache durch - dann kann man mehr erreichen, als wenn man einknickt und den leichtesten Weg geht.“