Steinbrück-Erpressung: Justiz ermittelt gegen Unbekannt
Berlin (dpa) - SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat mit Entsetzen auf den Versuch eines Erpressers reagiert, ihn zum Rückzug von der Spitzenkandidatur zu zwingen.
Die Unterstellung, seine Familie habe vor Jahren illegal eine Putzfrau beschäftigt, sei aber kein Indiz für eine politische Schmutzkampagne: „Das hat erkennbar nichts mit dem Wahlkampf konkurrierender Parteien zu tun“, sagte Steinbrück der „Saarbrücker Zeitung“ (Montag). Der Täter sei wahrscheinlich eine Einzelperson aus seinem Wohnumfeld in Bonn.
Steinbrück hatte den Erpressungsversuch am Samstag öffentlich gemacht, die Familie stellte Anzeige gegen Unbekannt. Polizei und Staatsanwaltschaft Bonn ermitteln wegen Nötigung. Der anonyme Erpresser wirft Steinbrück und seiner Ehefrau Gertrud vor, vor 14 Jahren eine Putzfrau illegal beschäftigt zu haben. Er drohte damit, dies öffentlich zu machen, falls Steinbrück nicht auf seine Kandidatur verzichte.
Die Steinbrücks wiesen die anonymen Anschuldigungen zurück. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von einer Schmutzkampagne. „Dieser Erpressungsversuch ist bisher der absolute Tiefpunkt in diesem Wahlkampf“, sagte er der „Bild am Sonntag„. Er hoffe sehr, dass die Verantwortlichen dingfest gemacht und vor Gericht gestellt würden. „Die ganze SPD steht hinter Peer Steinbrück und seiner Familie.“
Steinbrück sagte nach einer Wahlkampfveranstaltung in Erfurt, er habe Anzeige erstattet, da es sich um einen strafrechtlich relevanten Vorgang handele. Was er und seine Familie bislang im Wahlkampf erlebt hätten, „geht weit über die Belastungen und Auseinandersetzungen hinaus, was man üblicherweise wird wohl akzeptieren müssen. Dass dazu ein Erpressungsversuch gehört, ist jenseits meiner Vorstellungskraft gewesen.“ Die Attacke werde ihn im Wahlkampf aber nicht beeinflussen.
Gertrud Steinbrück wies die Vorwürfe in der „Bild“-Zeitung ausführlich zurück. Sie und ihr Mann seien Ende der 90er Jahre nach Bonn gezogen. Da sie im Jahr 1999 durch ihren Beruf und den Umzug stark belastet gewesen sei, habe ihre ebenfalls in der Stadt lebende Mutter ihr „zum Einzug geschenkt, dass ihre Putzhilfe für ein halbes Jahr einmal in der Woche bei uns saubermachen sollte“, wird Gertrud Steinbrück zitiert. „Ich zahlte sie für die bei mir abgeleisteten Stunden aus und rechnete das jeweils mit meiner Mutter ab.“
Nach Ablauf des vereinbarten halben Jahres wollte Gertrud Steinbrück die Putzhilfe selbst übernehmen. Den Arbeitsvertrag habe die Frau aber abgelehnt, weil ihr Mann seinen Job und die Familie den Aufenthaltsstatus verloren hatte. Sie habe daher nur „schwarz“ arbeiten können, wollte aber wegen ihrer sehbehinderten Tochter in Deutschland bleiben, sagte Gertrud Steinbrück: „Das hat mich sehr berührt. Dennoch habe ich ihr sagen müssen, dass ich sie natürlich nicht "schwarz" beschäftigen könne. Als Trost habe ich ihr 500 DM geschenkt.“
Sie sei sich sicher, „damals sowohl für mich und meine Familie als auch für sie und ihre Familie das Richtige“ getan zu haben. „Dass mein Mann nach 14 Jahren deswegen erpresst wird, ist infam und macht mich fassungslos“, sagte Gertrud Steinbrück. Der Kanzlerkandidat bestätigte in Erfurt die Darstellungen seiner Frau. Er sagte, dass in seinem Haushalt in Bonn nach der Ablehnung der Frau, ein festes Arbeitsverhältnis einzugehen, eine bei der Bundesknappschaft angemeldete und sozialversicherte Haushaltshilfe beschäftigt sei.
Die Putzfrau, wegen der er erpresst wird, habe er nicht persönlich getroffen, sagte der Kanzlerkandidat der „Bild am Sonntag“: „Ich habe die Frau nie kennengelernt.“ Nach Informationen des Blattes wurde der an Gertrud Steinbrück adressierte Brief am 30. August an das Bonner Amos-Comenius-Gymnasium geschickt, in dem die Ehefrau des Politikers bis zu ihrer Pensionierung Anfang August unterrichtete. Die Schule leitete den Brief am vorigen Mittwoch ungeöffnet an die Privatadresse der Steinbrücks weiter. Das Schreiben wurde im Briefzentrum bei Bonn abgestempelt.